Das Filmbett
eine
Freiheitstat war oder weil die Schweiz so welt- und kunstaufgeschlossen war
oder weil auch die Töchter der Kantone und Internate, die Saaltöchter der
Gaststätten einer Befreiung aus den Reglements überkommenen Wohlverhaltens
ebenso dringend bedurften, wie die Töchter preußischer Offiziers-,
niedersächsischer Pastoren- oder bayerischer Brauereifamilien? Jedenfalls das, was
später als German Dance weltweit und vor allem von Amerika aus den
Ballettgedanken reich befruchten sollte, daran hatte die kleine Schweiz ihren
großen Anteil — aber das konnte Bianca nicht voll ermessen, wie sie nicht
wissen konnte, daß diese typisch germanische Tanzbewegung schon ein Jahrzehnt
später in die Emigration gehen mußte wie fast alles, was gut am Deutschen war,
und daß sie selbst..., aber das ist nicht mehr unsere Geschichte...
Ging da nicht der große Harald
Kreutzberg vorbei — auch ein Gotiker, ein Riemenschneider seiner tänzerischen
Gestaltungskunst — , oder war es nur ein Nachahmer, der sich ebenfalls den
Schädel rasiert hatte, um ihm zu ähneln..., aber da kam eine lustige Schar von
hochstilisierten Backfischen mit Pagenfrisuren und Ponyfransen — typisch Ivonne
Georgi, die sich gerade mit ihrer Truppe in Gera einen Namen zu machen begann —
und rauschte, reizvoll sächselnd, vorbei.
So entging es Bianca, daß der
Freibeuter und Korsar ihr Hotel betreten hatte und kurz darauf wieder
herauskam.
»Sie sind Deutsche, mein
Fräulein«, sagte er nett und ohne die arrogante Frechheit der üblichen
Nachsteiger und Anquatscher, die ihr so widerlich waren, »...und natürlich auch
vom Bau, oder sagt man vom Fach?« — Und da sie zu antworten vergaß, fuhr er fort:
»Ich habe da drin Ihren Namen erfahren — Bianca — , er paßt nicht zu Ihnen, die
vielen klangvollen Vokale sind zu rund für Ihre schwebende Erscheinung...«
(Sollte das eine Anspielung sein auf ihren... so eine Frechheit!) »Ich werde
sie Blanche nennen, ja, Blancheneige...« (er sprach ihren verhaßten Nachnamen
französisch aus) »...Snowwhite, Schneewittchen, ja, das sind Sie — und da
drinnen, der Hausdiener, Mauro, ist bereits einer ihrer ergebenen Zwerge...
Mein Name ist übrigens Prinz Albert von...«, aber bevor sie ihm sagen konnte,
sein Adel interessiere sie nicht die Bohne, oder sie halte ihn schlicht für
einen kleinen Hochstapler, oder sonst irgend etwas Brüskes, um ihm ein für
allemal die Schneid abzukaufen, obwohl, zugegeben, das mit Blancheneige ihr
eigentlich gefiel, andererseits sie sich natürlich keinesfalls als eine dumme
Märchenfigur empfand — bevor sie also den Dreisten in die Schranken weisen
konnte, fiel wie ein Hornissenschwarm eine Gruppe von Mädchen an ihrem Tisch
ein und begrüßte sie mit der Akkolade von Staatsoberhäuptern, mit
Kinderküßchen, Handschlag und Schulterklopfen — schließlich kannte man sich von
der Ausbildung, von Gastspielen, Tanzabenden, von Tagungen und Symposien und
vom Hörensagen..., so daß dem jungen Mann nichts anderes übrig blieb, als sich
mit einer knappen Verbeugung und einem bedauernden Lächeln zurückzuziehen.
Blanches — und dabei wollen wir nun bleiben — , Blanches Initiation in die
große Gemeinde hatte begonnen, sie war in die Familie der wilden Mädchen
Asconas feierlich aufgenommen worden.
2
Es wurde — wie man so sagt — ein
rauschendes Fest. Es dauerte viele Tage und Nächte, und für Blanche wurde es
später schwierig, sich zu erinnern, wo was wann sich wie zugetragen habe. Das
Fest fand in Villen und Trattorien, in Grotti und Palazzi, auf Schiffen und in
Schwimmbecken statt, es war ein ausgelassener Carneval in einem Mädchenkloster,
so, wie es einst Casanova mehrfach beschrieb, nur daß man im Sommer feierte
statt im Winter, und Mädchenkloster, weil gegenüber der vorherrschenden
Weiblichkeit Männer Mangelware blieben und hoch im Kurs standen.
Blanche kam meist nur in ihr
Hotelzimmer, um Kleider und Wäsche zu wechseln — das alle drei Tage neu
bezogene Bett blieb unberührt wie in der ersten Nacht.
Doch war das »Lotterleben«, dem
sie sich so rückhaltlos ergab, auf mehr als nur eine Weise bemerkenswert.
Blancheneige gefiel als Mensch und als Begriff, den man mit ihrem Namen
verband. Und viele von den wenigen Männern boten sich an, ihre dienstbaren
Zwerge zu sein. Da war zum Hausdiener und Kellner Mauro ein Fabio gekommen und
ein Willem — von dem noch die Rede zu sein hat, dann ein Herr M. — auch er wird
seine Rolle noch übernehmen...
Doch
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