Das Filmbett
dem früheren Rat erfahrener Mitschwestern folgend, weich und
unterdrückte jeden eigenen Widerstand gegen dieses starke, wachsende und immer
drängendere Gefühl, gegen diese Macht und Herrlichkeit, die sie gegen sich
gerichtet spürte. Ach, dieses Gefühl üppigen Quellens war ihr nicht unbekannt,
nur — als sie es das erstemal erlebte, kauerte sie, wie eben Tänzerinnen
kauern, vor einem Manne, und als er ihren Kopf zwischen seine Beine preßte,
sagte dieser Dummkopf doch tatsächlich: »Ach Neige , du Schmerzensreiche,
dein Antlitz gnädig meiner Not...«, und mit dieser unangemessenen Anrufung
ihres ungeliebten Nachnamens war natürlich alles aus. Und darüber war sie
damals im Nachhinein eigentlich recht glücklich gewesen. Doch jetzt schien
alles anders zu sein. Sie stand an ihn gepreßt und lockerte sich bereitwillig
seinem Zugriff, den er ohne die befürchtete männliche Brutalität mit einer
zärtlichen Vorsicht vollzog, er streichelte und strich und streifte ab, sie gab
nach, kam ihm entgegen..., aber plötzlich — sie verstand es kaum — , verzerrte
sich das in seiner Begierde besonders schön gewordene Antlitz Fabios zu einer
häßlichen Grimasse und mit dem befremdlichen Ausruf: »Goddam, sie ist ja
tatsächlich noch eine...«, und mit zwei knappen Worten der ungemein präzisen
amerikanischen Vulgärsprache forderte er sie auf, mit sich selbst zu tun, was
er eigentlich mit ihr zu tun beabsichtigt hatte..., und so sah sie sich
jählings alleingelassen.
3
An dieser Stelle erscheint uns
eine Blende am Platz. Wir wüßten auch nicht den Ausgang einer Party zu
beschreiben, von der kein Mensch mehr eine Ahnung besaß, wann und wo sie ihr
Ende gefunden hatte.
Unser Schneewittchen erwachte
jedenfalls erst spät am Vormittag auf einem Lager voller Fummel in einem
Rustico der Fontana Martina bei Ronco, weil ihr Ameisen über Gesicht und Arme
liefen. Doch da sie ein kluges Mädchen war, sprang sie nicht mit einem munteren
»Hey!« auf die Beine, sie tat, als ob sie weiterschliefe, um erst das Terrain
zu sondieren, die Erinnerungsbruchstücke der vergangenen Nacht einzusammeln, in
einen Ablauf zu bringen und zu Überlegungen zu gelangen. Was hatte sie falsch
gemacht, warum war offenbar alles falsch gelaufen?
Sie wäre bei ihrer
Selbsterforschung nicht viel weitergekommen, hätten ihr nicht einige weibliche
Personen unfreiwillig geholfen, die sich im selben Raum befanden und sich leise
über ihre Person unterhielten, während sie mit größtem Appetit große Mengen von
Milch, Weißbrot, Käse und Landjäger, eine typische schweizerische Dauerwurst,
vertilgten.
Sie erfuhr, daß sie sich wie Lord
Byron rühmen konnte: »Ich wachte eines Morgens auf und war berühmt!« — Sie war
ein unbestrittener Erfolg gewesen. Man bewunderte die geniale Leistung eines
Neulings, die unbefleckte Unschuld zu spielen, um sich den lästigen
gesellschaftlichen Verpflichtungen zu entziehen und sich gleichzeitig in aller
Ruhe den männlichen Ehrengast zu schnappen, für den — unter anderen — diese
Abschiedsparty gegeben worden war, ihn weiterhin so gründlich zu vernaschen,
daß man bis zum Abgang des ersten Postautos nach Locarno nichts mehr von ihm
gehört hatte. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben oder war schon auf der
großen Reise. Das war kein Gesellen-, das war ein Meisterstück weiblicher
Sexualstrategie und der Kleinen nicht zuzutrauen gewesen. Sie erfuhr ferner,
daß sie das süßeste, raffinierteste kleine Luder sei, seit sich die
zwölfjährige Cleopatra den alternden Glatzkopf Cäsar unter den Nagel gerissen
hatte, und solches zu hören, tat ihr wohl. Sie überlegte schnell: Wenn sie die
Wahrheit sagte, wurde ihr nicht geglaubt, wenn sie hingegen log, nahm man es
für wahr. Wie jedes gerade, ehrliche, anständige Mädchen war auch Blanche eine
abgefeimte Lügnerin und Schwindlerin. Ihre Folgerung war logisch und wie jeder
richtige Entschluß einfach: Wenn man ihr die Unschuld nicht abnahm, so sollte
man von ihr als Vamp und Femme fatale überzeugt werden. Eine männerfressende
Anita Berber wollte sie sein, eine kokainschnupfende Nymphomanin!
Sie riskierte ein Auge. Sie befand
sich in einem offenbar ländlichen Gebäude, denn das Gemäuer bestand aus grob
gemörtelten Granitsteinen. Die Mädchen im Raum waren ihresgleichen, das sah sie
mit einem kurzen Blinzeln. Sie glaubte die eine oder andere wiederzuerkennen.
Schwierig war jenes Wesen unterzubringen, das anscheinend hier der Gastgeber
war: eine skurrile
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