Das Filmbett
nicht
veröffentlicht werden, sie lautete: ›Laß man, gegen die Wand pinkeln kann se
doch nicht!‹«
Gelächter und verlegenes
Schweigen.
»Er war des trockenen Tones satt,
muß wieder mal den Teufel spielen«, sagte die Rothaarige und nahm natürlich
ihren Geliebten in Schutz. Aber Blanche mußte doch in sich hineinkichern.
Dieser Berliner hatte es den Gewitterziegen und Snobs gegeben. Der sprach mit dem
untrüglichen kritischen Gefühl und ohne Umschweife, so, wie die alten
Bühnenarbeiter, denen man auch nichts vormachen konnte und die ein sicheres
Urteil dafür hatten, was verlogen und was echt war.
Jemand versuchte das Thema wieder
aufzunehmen: »Du bist ein Scherzbold, Al, und ein unverbesserlicher Zyniker.
Aber im Ernst, was sagt der Fachmann zu dem Phänomen des modernen
Ausdruckstanzes? Los, drück dich aus, Al.« (Also Al konnte man ihn nennen — ja,
das war gut, das ging an.)
»Die Palucca ist eine große
Künstlerin — darüber braucht man kein Wort mehr zu verlieren...« (Sie liebte
ihn, ja sie liebte ihn schon.) »Aber was Ihr da verzapft, ist die größte
Scheiße, ist gequirlte Schifferscheiße, meine Lieben. Wahrlich, ich sage euch,
der ganze Ausdruckstanz ist in Gefahr, in eine ausweglose Sackgasse zu geraten...
(Sie haßte ihn — hatte ihn von Anfang an gehaßt.) »Sicher wird er in die
Tanzgeschichte eingehen als der große Bastillensturm gegen ein erstarrtes,
verrottetes Tanzregime...« (vielleicht liebte sie ihn doch ein bißchen?) »...das
sich nicht aus sich selbst heraus erneuern konnte. Als Elementarereignis war er
so notwendig wie La Grande Revolution — und ist es noch — , aber wie lange
noch? Tanz ist eine vielfältige, unteilbare Einheit, und ihn in Tortenstückchen
zu schneiden und zu verteilen... in Schulen und Richtungen, dieser
Regionalismus, Föderalismus und — Provinzialismus ist schlicht zum Kotzen.
Diese Gruppen und Grüppchen werden die Ganzheit des Tanzes genauso zerbrechen, wie
die Parteienklüngel unseren Staat zerstören werden. Das klassische Ballett
verdorrte an seinem Formalismus, an den Klischeefolgen seines Schrittfundus von
Arabesque und Entrechats und Port de bras und Attitudes...« (sie liebte ihn.) »...aber
ich sage euch, der Ausdruckstanz wird jämmerlich krepieren an seinen
Seelenblähungen...« (sie haßte ihn) »...an der Selbstüberheblichkeit, mit der
sich hier eigene Komplexe wichtig machen... an der permanenten Onanie mit
privatesten Gefühlen« (sie haßte ihn sehr) »...wenn ich so sehe, was da alles
tanzen zu müssen glaubt, sich berufen und auserwählt dünkt, höhere Töchter, die
früher ›Das Gebet einer Jungfrau‹ am elterlichen Pianino sangen und heute ihre
Keulen schwingen, aus seelischer Not und als körperliche Ersatzbefriedigung...«
(er ist abscheulich, infam) »...diese weiblichen Derwische, die mit schwarzen
Füßen ihre Weltanschauung, oder was sie dafür halten, in den Boden stampfen...
und dazu dann eure Intellektualisierung des Emotionellen, die metaphysische Mystifikation...«
Als sich einige Hohos! und schrille Entrüstungsrufe bemerkbar machten,
verschaffte er sich mit einer knappen Geste wieder Ruhe.
»Wir alle hier sind tief
beeindruckt von der neuen bildenden Kunst in Frankreich. Dieser Pablo Picasso
zum Beispiel hat sich von seinen anämischen traurigen Harlekins in blau und
rosa abgewandt — und mit welcher Kühnheit hat er verstanden, die Natur zu
denaturieren — oder Bracque. Wir sind begeistert von dem Bürgerschreck
Strawinsky oder von Paul Hindemith. Wir lieben Poulenc, Milhaud, Honnegger,
Satie und sind stolz auf ihre und unsere Modernität. Aber wofür schrieben sie,
für wen machten die Maler Bühnenbilder, entwarfen sie Kostüme, für wen entstand
Petruschka, Pulcinella, Sacre du printemps, Apollon musagetes, Feuervogel, der
Dreispitz? Für das russische Ballett Diaghilews, für Nijinski und die
Karsawina. Die modernste Moderne arbeitet für die Kunst von Gestern. Gibt das
nicht zu denken? Erkläret mir, Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur... Die
Zertrümmerer überkommener Formen und Gesetzestafeln schaffen Neues, Unerhörtes
für die alten Formen und Codici... Ich sage euch, das kommt nicht von ungefähr.
Eine Synthese ist unvermeidlich. Der Ausdruckstanz muß das Ballett
zurückgewinnen, das Ballett muß in den Ausdruckstanz eingehen, so wie sich der
Volkstanz, die Folklore in den Kunsttanz integriert hat. Kein anderer Weg kann
uns weiterführen... Hugh! Ich habe gesprochen!« — Er stürzte
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