Das Filmbett
näher.
»Aber trotzdem möchte ich wissen,
warum Sie es tun«, insistierte sie nach einer Pause.
»Ich zeige eben gerne, was ich
kann. — Tun Sie das nicht auch?«
Darauf wußte sie keine Antwort.
Sie waren in dem kleinen
Bootshafen von Ascona nahe der Piazza angekommen. Er half ihr an Land.
»Schönen Dank, Willem«, sagte sie
und gab ihm die Hand.
»Nüscht zu danken«, entgegnete er.
»Stets zu Diensten. Karte genügt, komme ins Haus. Nicht Gewünschtes bitte
durchstreichen!« rief er ihr nach und kam sich wohl ungeheuer witzig vor.
Sie entfloh. Nein, dieser Riese
war ein allzu dienstbereiter Zwerg. Sie wollte ins Haus schlüpfen, da erhob
sich jemand auf der fast leeren Terrasse, der sichtlich auf sie gewartet hatte.
Es war die Rothaarige. Auch das
noch, dachte sie.
»Al hat sich Sorgen um Sie
gemacht«, sagte die junge Frau. »Er meinte, ich solle mich ein bißchen um Sie
kümmern — er mußte plötzlich zu einem Verleger nach Zürich. Ganz früh.«
»Ich brauche keine Kinderfrau«,
sagte sie, und es kam ruppiger heraus, als sie es wollte. »Sagen Sie Ihrem
Freund...«
»Freund? Welchem Freund?«
»Nun, Ihrem Freund Al — oder gibt
es noch mehr?« — Auch das war patziger gesagt als nötig.
Die Rote lachte schallend auf.
»Ach, Sie meinen, Al wäre mein Freund? Das ist er allerdings, und zwar ein
guter. Er ist mein Bruder.«
Nun war es abermals an Blanche,
sich zu schämen. Sie wurde rot — und nicht nur aus Verlegenheit.
»Fein, daß Sie uns einen Inzest
zutrauen — wär’ nicht schlecht: Wälsungenblut, Winterstürme, Wonnemond und so
weiter... War aber nicht. Leider. Nun, man kann nicht alles haben im Leben. — Ich
bin glücklich verheiratet, in der Nähe von Thun — am Thunersee, auch sehr
schön, habe zwei süße Kinder, beide rothaarig wie richtige Iren...« Sie sprach
schnell und hastig. Blanches Mißtrauen regte sich wieder.
»Und Sie wären die ganze Nacht
aufgeblieben, um auf mich zu warten? Es hätte doch leicht sehr spät- oder sehr
früh werden können auf der Insel, wieso sind Sie...«
»Nun ja, das Monster rief mich vor
einer knappen Viertelstunde an, es hätte da eine verflixte Panne gegeben — bedauerlicherweise
— , er wüßte nicht, wie Sie es aufnehmen oder darüber wegkommen würden. Es war
alles ein wenig verwirrend, und da bin ich eben schnell mal rumgekommen, um
nach Ihnen zu sehen.«
Das war glaubwürdig — und
eigentlich nett vom Monster.
»Ich kann mir schon vorstellen,
was da passiert ist. Sie müssen mir alles ganz genau erzählen, ich bin
neugierig wie ein altes Weib und gespannt wie ein Regenschirm. War selber mal
in eisgrauer Vorzeit ein ziemlich störrischer Esel, mich mußte man auf freier
Wildbahn mit dem Lasso einfangen...« Sie lachte. »Wenn auch das Lasso
schließlich der Hosenträger eines Schweizer Arztes war, meines Mannes.« Ihr
Lachen war leicht und dunkel. »Kommen Sie, Blanche, seien Sie kein Frosch, wir
gehen zu uns. Nennen Sie mich Mericia, ja, so heiße ich, weiß der Deibel warum —
mein Vater muß besoffen gewesen sein... Wir quatschen uns richtig aus, so ganz
allein unter uns Jungfrauen — o jemine, das hätte ich wohl jetzt nicht sagen
sollen. Na, egal, was raus ist, ist raus.« Sie zog die noch immer ein bißchen,
aber nur noch ein bißchen Widerstrebende mit sich fort. »Ich habe Al den
Eisschrank nachgefüllt, wenn er morgen oder übermorgen zurückkommt... Wissen
Sie, man muß sich etwas um ihn kümmern... diese intellektuellen Junggesellen
sind ja hilflose Kinder. Ich muß leider zurück in den ehelichen Pferch, mehr
als ‘ne halbe Woche läßt mich mein Trauter nicht weg...«
Dann war Blanche in der bereits
bekannten Umgebung. Die beiden hockten in der Küche und fraßen den vollen
Eisschrank wieder halb leer, Mericia öffnete eine Flasche vom besten Merlot,
und man sprach über das Monster und die Frau Doktor aus Berlin, die nur in der
»Öffentlichkeitsarbeit« voll und ganz auf ihre Rechnung kam, und über die
wollüstigen russischen Gardeoffiziere im Grünen Foyer: »Du hast ‘ne ganz hübsch
verdorbene Phantasie, mein Kind«, und dann wollte Blanche wissen, ob Mericias
Haar echt sei und ob sie überall...? Sie könne sich das ja gelegentlich
ansehen, sie habe einige Anerkennungsschreiben, lachte Mericia...
Und Blanche hatte plötzlich eine
echte Freundin, nicht so ein dummes Gör, wie sie selbst es war, oder eine
schrullige, betuliche Tante, die Datterich-Deutsch sprach, sondern eine junge
Frau, mit der man
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