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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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die
Stirne, flüsterte ein wohl völlig unangebrachtes »Danke« — aber man weiß ja,
daß die unkontrolliertesten Regungen des Herzens oft ihren eigenen tiefen
Verstand haben. Dann lief sie vor Willem rasch zum Bootssteg hinab und hörte
nur noch auf halber Treppe eine spitze Stimme: »Also, wenn ihr mich fragt, ist
sie eine hysterische dumme Gans!« Aber sie konnte nicht mehr verstehen, ob
jemand eine Antwort darauf gab.
9
    Willem fuhr mit dem Boot keine
kühnen Kurven mehr, sondern hielt den Kurs so gerade wie seinen Blick. Und
Blanche besaß nichts mehr von ihrem blasierten Hochmut, den sie am Morgen zur
Schau gestellt hatte... zur Schau... zur Schau... zur Schau... echote es in
ihr, nach dem Takte des Motors. Hatte sie sich wirklich wie eine dumme Gans
benommen und zudem über alle Maße selbstgerecht? Jedenfalls fühlte sie sich
ziemlich belämmert und sie schnupfte indigniert auf. Sie hatte wie ein
lüsternes, albernes Gör das Laster gesucht, die wollüstige heimliche Sünde, die
verbotenen Früchte, und als sie sie fand, geflennt wie ein Kind, das seinen
Ball mutwillig in eine Fensterscheibe geworfen hat.
    Es wird höchste Zeit, daß du
erwachsen wirst, sagte sie sich in edler Selbsterkenntnis. »Nur Backfische
spielen mit der Liebe wie Kinder mit dem Feuer, weil sie noch nicht wissen, wie
es brennen kann«, hatte sie einmal irgendwo gelesen, und wie ein Backfisch hatte
sie sich benommen.
    Sie dachte daran, wie aufregend
sie das gefunden hatte, worüber man heute noch am Theater munkelte: wie
skandalös es früher beim Ballett angeblich zugegangen sei, wenn die Delegation
der hohen russischen Offiziere in die Stadt gekommen war, und es dann auf der
Probetafel hieß: Morgen Ballettprobe im Grünen Foyer — grün, weil die Säulen
aus grünem Marmor, die Wände aus grünem Malachit waren — ein Geschenk des Zaren
— , dieses Foyer mit den grünen Samtvorhängen vor den hohen Fenstern und den
großen Spiegeln mit dem Handlauf, der auch als Übungsstange dienen konnte. Da
wußte — angeblich — jeder im Theater, und in den Tänzerinnengarderoben wußte
man es genau — die Probe im Grünen Foyer bedeutete den Verzicht auf das
Seidentrikot, das Spitzenhöschen unter dem kurzen Tutu und auf die Korsage
darüber, und die Ballettmeisterin hatte den gefürchteten Rohrstock und schlug
damit den Takt auf ihre Handfläche — oder auch auf die nackten Schenkel und
Waden beim Exercise an der Stange und in der Reihe, und die Offiziere saßen,
Papirossi rauchend, an den kleinen Marmortischchen und betrachteten das laszive
Schauspiel der unter dem Ballettrock entblößten Unterkörper bei Spagat, Split
und Pirouette und den Tanz der wippenden nackten Brüste bei Drehung und Sprung.
Die damalige Ballettmeisterin lebte noch als alte, würdige Dame, hochgeachtet,
bezog Rente und ging jeden Sonntag zur Kirche. Blanche war immer in Versuchung
gewesen, sie anzusprechen und nach dem Wahrheitsgehalt dieser unfrommen
Legenden zu fragen, hatte sich natürlich aber nie getraut. Waren diese
schamlosen Darbietungen nicht allein schon in der Phantasievorstellung, die ihr
damals gruselige Wonneschauer über den Rücken jagte, mit der sklavenhaften
Leibeigenschaft und ihrer unzüchtigen Entblößung nicht tausendmal verderbter
als die pure Nacktheit bei der Ausübung naturgewollter Funktionen? Hier hatten
zwei miteinander geschlafen, wie es trivial, aber im Wortsinne unzutreffend
genannt wurde, und sie ertappte sich dabei, daß sie — zum erstenmal — ein
schmutziges Wort damit in Verbindung brachte und es nur mit Mühe unterdrücken
konnte...
    »Warum tun Sie das eigentlich,
Willem?« fragte sie leise und blickte starr auf die Windschutzscheibe.
    »Weil es ‘ne zünftige Männerarbeit
ist, Frollein«, sagte er.
    »Nein, Sie wissen schon, was ich
meine«, sagte sie.
    »Das meine ich auch. — Wenn’s den
andern gefällt — mir macht es nichts aus.«
    »Und die Frau? Ist sie eine...?«
    »Nö, Frollein, die ist keine. Das
ist die Gattin von ‘nem wohlhabenden Dokter in Berlin.«
    »Aber warum gibt sie sich dazu
her?«
    »Weil sie nur so ihren Spaß daran
hat, ganz einfach. So was gibt’s. Das erstemal mußte ich ihr einen
Zehnfrankenschein vor die Füße werfen — dafür hat sie mir diese Uhr geschenkt —
echt Platin.« Er zeigte sie. »Ja, sowas gibt’s. Und noch ganz andere Sachen...«,
meinte er und war bereit auszupacken.
    Doch Blanche hatte keine Lust,
mehr darüber zu erfahren. Die Lichter von Ascona kamen

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