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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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über alles, aber auch über alles reden konnte. Und sie merkte
gar nicht, daß sie dabei — unmerklich zwar — aber sicher geführt wurde.
    So kam Blanche wieder nicht in ihr
eigenes Bett, sondern schlüpfte in das von Mericia — sie war tatsächlich
überall rot und es sah einfach toll aus.
    Aber es geschah weiter nichts,
denn erstens hatte man sich soviel zu erzählen, zweitens waren sie beide nicht
dafür, und drittens war man doch soo ent-setz-lich mü-ü-ü-d-e.
10
    »Sag mal, dein Bruder hat’s wohl
nicht alle«, sagte sie forsch am nächsten Morgen beim Frühstück zu Mericia.
    »Wieso?«
    »Na, diese Sache da mit seinem
klassischem Ballett. Das ist doch endgültig passé.«
    »Na, da bin ich nicht so sicher.
Lies mal die ›Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe‹ von Wölfflin. Da gibt es
Wellen in der Kunst, die kommen immer wieder, periodische Tendenzen wie Ebbe und
Flut. Ich habe selbst mal Ballett getanzt — long ago — , da gibt’s Sachen, die
sind gar nicht so ohne...«
    »Ja, zum Beispiel die Offiziere
und die nackten Hintern unterm Tutu, von der Vorderfront ganz zu schweigen...«
    »Ach geh, du mit deinen heimlichen
Wunschträumen, du kleines Ferkel.« Mericia schmunzelte. »Aber als Bild kann ich
es mir recht hübsch vorstellen: ›Die Zucht vermählt sich mit der Unzucht‹,
schön dekadent und verderbt, traun fürwahr...« Sie lachte wieder.
    »Die gnädige Frau scheint sich leicht
zu amüsieren.«
    »Nein, aber ich denke an den Pas
de Quatre der vier kleinen Schwänchen im ›Schwanensee‹. Bei dem gezierten
Gehüpfe muß die Meierei da oben ganz schön in Bewegung gekommen sein. So acht
runde Dinger im ewigen Zwiespalt zwischen Fliehkraft und Beharrungsvermögen...
Hast du je Rastelli gesehen? Der jongliert auch mit acht Bällen... Übrigens du
mit deinem hohen Spann gäbst eine prima Primaballerina ab...«
    »Laß mich damit in Ruh. Die
blutigen Zehen nach jedem Exercise und nach jeder Vorstellung — gräßlich.«
    »Da hast du recht. Aber diese
gebändigte Anmut... diese schwebende Erdungebundenheit... diese Leichtigkeit in
der — zugegebenen — Dressur...«
    »Dann wäre ich lieber eine
Lipizzanerstute in der Wiener Hofreitschule.«
    »Dafür hast du einen viel zu
kleinen Arsch«, sagte Mericia und Blanche bekam eins hinten drauf. »Los,
begleit mich, ich hab noch einiges zu besorgen, bevor es wieder ins Joch geht.
Al hat mir seinen DKW, den ›Deka-Wuppdich‹ dagelassen und ist mit der Bahn
gefahren.«
    Sie ratterten mit dem Zweitakter
über den Monte Ceneri an den Luganer See, kletterten hinauf nach Porza, wo
einige deutsche Aristokratinnen den Krieg abgewartet, Werkstätten eingerichtet
hatten und auf Webstühlen handgefertigte Wollstoffe herstellten. — »Gut für Kinderkleidung«,
sagte Mericia, dann aßen sie zu Mittag frische Forellen in Gandria, dann ging
es zu einer Keramikfabrik bei Morkote. — »Hier gibt es besonders hübsches
Geschirr und die Kinder zertöppern so viel«, dann kamen sie über Ponte Tresa
wieder an den Lago Maggiore, zwischendurch telefonierte Mericia von unterwegs,
und schließlich fuhren sie von Locarno aus rechts in das Val Verzasca und nach
einer kurzen Fahrt über eine kurvenreiche Strecke hielt Mericia vor einem
großen modernen Bungalow mit Flachdach und enormen Glasfronten.
    »Aussteigen! Wir sind hier
angesagt.« Mericia zog die Autoschlüssel ab.
    »Wo sind wir hier?«
    »Das wirst du schon sehen.«
    Was Blanche als erstes sah, war
ein elegantes Schild:
    ACADEMIE DE DANSE
    BALLETT CLASSIQUE — COURSE DE GYMNASTIQUE
    OLGA DERSHINSKA
    »Du bist eine Bestie«, sagte
Blanche. »Ich werde dich wegen Kidnapping verklagen.«
    »Wieso? Ich will nur meine Kinder
anmelden. Fürs nächste Jahr. Dann sind sie soweit.«
    Sie klingelte, ein Mädchen mit
Brille öffnete: »Madame ist noch beim Exercise.« Sie legte die Finger auf den
Mund, führte sie durch einen Korridor zu einer hohen Tür und ließ sie in ein
großes, helles Studio eintreten. Mericia bedeutete einer strengen älteren Dame
mit weißem Haar, sich nicht stören zu lassen und setzte sich auf einen Stuhl.
Blanche hockte sich sofort zu ihren Füßen hin. Hier war sie zu Hause, das war
ihre Welt: ein Tanzsaal, schöner, heller, moderner vielleicht, als der in ihrem
Theater, aber das flache Kistchen mit dem Kollophonium war da, das Klavier mit
dem alten Korrepetitor, die abgelegten Klamotten, Strickjacken und Handtaschen
lagen herum, und dann waren die Tänzerinnen da, wenig an der Zahl, und

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