Das Filmbett
wirklich ein Fluß, auf dem Handel getrieben wird. Aber Sie sollten wissen, daß alles zu einem guten Zweck geschah ... au revoir, mon ami.« Sie schickte mir noch einen langen Blick und einen kurzen Kuß durch die Luft und war aus der Tür. Ahnte sie damals schon, daß die Kettenreaktion noch nicht zu Ende war? Als ich später in die Rocktasche griff, fand ich ein zusammengerolltes Papier. Ein Scheckformular mit ihrer Unterschrift. An Stelle des Geldbetrages stand: »Bon pour une nuit d'amour avec tous les desires à demande de mon ami«, die Floskel »Oder Überbringer« war ausgestrichen, und in die Zeile, die für den Zweck der Zahlung vorgesehen war, hatte sie geschrieben: »Pour amortier une grande dette amicale«. Gesiegelt war der Scheck mit dem roten Abdruck ihrer geschminkten Lippen.
Erst fünf Jahre später kam ich wieder nach Paris. Auf der Rückreise von Außenaufnahmen in Bordeaux, im Medoc, in Biarritz und St. Jean de Luze. Ich hatte am Gare St. Lazare mit meinem Kameramann und seinem Assistenten den reservierten Waggon verlassen, der meinen Filmtrupp nach Berlin zurückbrachte. Ich mußte noch einige dokumentarische Bilder aus dem besetzten Paris drehen.
Von der Kommandatur wurde uns das kleine Hotel am Etoile für Wehrmachtsgefolge zugewiesen.
Paris 1942 - als die Schlacht von Stalingrad verloren ging und Amerika in den Krieg eintrat: La ville Lumiére sous les bottes - die Lichterstadt unter dem Knobelbecher. Die Stadt war grau wie eh und je - aber es war, als hätte sie noch einen Trauerflor über sich gebreitet. Die deutsche Feldpolizei auf den Champs Elysées, die deutschen Soldaten mitten unter der Pariser Bevölkerung: irgendwo paßte das nicht zusammen, es war nicht einmal ein tragischer, dramatischer Gegensatz - es stimmte einfach nicht. Vom Standpunkt eines Regisseurs war diese Besatzung eine Fehlbesetzung.
Es war schon Abend, als ich ins Hotel kam, aber ich war nicht müde. Die Theater spielten, der Portier legte mir das Heft mit dem Wochenspielplan vor. Ich hatte keine Lust zu einem müden Moliere des Theätre Françis oder zu einer glatten, flinken Boulevardkomödie. Jedoch hier: »Das Tabarin präsentiert seine einmalige Revue!« In einem Foto erkannte ich eines der berühmt gewordenen Karusellpferde mit einer nackten Frau im Kopfhang. Eine Karte war rasch reserviert. Die Organisation des Militärgouvernements sorgte bestens für das Vergnügen der Truppe. Daß Gilberte auf dem Foto war, war zweifelsfrei, aber es konnte ein altes Bild verwendet worden sein. Ich kramte im versteckten Fach meiner ewig unaufgeräumten Brieftasche. Tatsächlich, der bewußte Scheck fand sich. Er war nicht mehr sehr ansehnlich. Egal, ich steckte das Formular auf alle Fälle in ein Kuvert mit der Aufschrift des Hotels. Ich bummelte die großen Boulevards entlang, bis es Zeit zur Vorstellung war. Im Tabarin tauschte ich an der Kasse den Vorbestellungsschein des Portiers gegen eine Eintrittskarte in der ersten Reihe. Ich entnahm dem Programmheft, daß es tatsächlich noch ein Beauty namens Berenice (alias Gilberte) gab, trieb irgendwo ein paar Rosen auf und gab sie mit dem Brief beim Bühnenportier ab.
Dann sah ich sie und sie mich. Sie war noch immer schön, ja, sie schien mir noch schöner, weil charaktervoller geworden zu sein. Die genau gesetzten, wohlproportionierten Halbkugeln ihrer Brüste, diese unbeschreibliche sphärische Kurve, die zur markierten Taille führt und mit unvergleichlichem Zirkelschwung über die Lende zum langen Oberschenkel ging, diese eleganten Beine, die sich bewußt waren, an ihrem Ende den weiblichen Schoß wie einen Gral zu tragen, einen köstlichen Blütenkelch aus Muraner Glas ...
Das Programm lief wie immer reibungslos ab, aber es schien etwas zusammengestoppelt, man hatte wohl Bilder aus früheren Produktionen übernommen, der Sketch mit den Liebespaaren aller Nationen war, besonders was das deutsche betraf, etwas gemildert - nun, was konnte man im dritten Kriegsjahr Besseres verlangen. In der Pause brachte man mir ein zusammengefaltetes Stück Papier. Ihre Schrift: »Mon cher ami, ich habe Ihren Inkassozettel erhalten und er erschien mir wie der schönste Liebesbrief. Sie haben mich ebensowenig vergessen, wie ich Sie. Wie schön. Liebesschulden sind Ehrenschulden - hat das nicht einmal - lang, lang ist's her - eine gemeinsame Bekannte gesagt? Gegenüber der ›porte des artistes‹ finden Sie ein kleines Bistro. Warten Sie dort auf mich, ich werde mich beeilen. Gilberte,
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