Das Filmbett
rechtzeitig voneinander abgenabelt werden und statt sie seelisch und pädagogisch zu trennen, äußere Wesensähnlichkeit und Körpergleichheit durch Kleidung extra betonen, um so die Ähnlichkeit zu fördern. Denn was auch immer von Identität und gleichem Schicksalsverlauf pseudo-wissenschaftlich gefaselt wird: Zwillinge sind zwei verschiedene, von einander unabhängige Individuen, und alle Kongruenzen, die Neigungen, die Anfälligkeit für dieselben Krankheiten etc. sind mehr oder weniger zufällig und werden entweder von außen manipuliert oder hineingeheimnißt. Daß Zwillingsschwestern Zwillingsbrüder heiraten ist nur ein journalistischer Public-Relation-Gag, auch wenn es vorgekommen sein soll. Und hier darf man Allan Woods satirische Schnurre anführen, der spöttisch von zwei Zwillingsbrüdern erzählt, von denen der eine in Amerika ein Bad nahm, worauf der andere plötzlich am andern Ende der Welt sauber wurde.
Zwillinge differieren psychisch und in ihren Neigungen und Verhaltensweisen oft sogar außerordentlich.
Das biologische Phänomen der Zwillinge hat eine ganze dramatische, vorwiegend heitere Literatur hervorgebracht. Denn womit ließen sich lustspielhafte Effekte der Personenverwechslung und des Rollentausches besser konstruieren als mit der Körperähnlichkeit von Zwillingen. Es genügt, auf Shakespeare, Plautus und Ludwig Fulda hinzuweisen. Zwillinge sind und bleiben Topoi der dramaturgischen Verwechslungstechnik und an diesen bereits verkrusteten Klischees wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.
Die dritte Problematik von Zwillingsschwestern im Schaugeschäft liegt eindeutig im Sexuellen. Sich öffentlich produzierende Frauen sind naturgemäß spezielle Sexobjekte, und jede Künstlerin wäre unglücklich, ja fehl am Platze, würde sie die Eigenschaften ihrer erotischen Attraktivität nicht genießen und in das künstlerische Kalkül als Wirkungsfaktor nicht einbeziehen.
Schon im bürgerlichen Alltag hat für den Mann einer hübschen Frau die hübsche Schwägerin eine besondere sexuelle Anziehungskraft, und oft ist die Schwester der Frau ihre ärgste Geschlechtsrivalin. Bei Zwillingsschwestern tritt dieser Faktor natürlich verstärkt auf. Bei verblüffender Körper- und Gesichtsähnlichkeit überträgt sich die bewußte oder unbewußte Inbesitznahme der sich darbietenden Frau durch den männlichen Zuschauer nicht auf eine bestimmte, sondern auf beide Personen. Die erotische Neugier erfaßt gleichzeitig beide. Man möchte nicht eine, sondern beide »haben«. Das ist der eigentliche Sexappeal des Sistereffektes, den die internationale Showmanship kaltblütig auszunützen bestrebt ist. Alle sich produzierenden Zwillinge leiden darunter, daß sie nicht als Einzelpersonen begehrt werden, sondern eben als Paar. Ebenfalls künstlerisch tätige Zwillinge erzählten mir spöttisch, aber auch angewidert, wie sich die Hollywoodprominenz als Gäste des Pariser »Lido«, dessen Attraktion sie waren, nicht um die eine oder andere, sondern um beide, sozusagen als erotisches Kollektiv, als sexuelles Konsort bemühten, als spezifische Sensation des Gruppensexes.
Ähnliches erlebten Margret und Ann. Sie waren ziemlich unprüde, unpuritanisch und betrachteten Sexbefriedigung als natürliche und erstrebenswerte Sache. Sie besaßen auch voreinander keine Scham, wie sie unter Familienmitgliedern oft an der Tagesordnung ist. Ja, sie hatten es sogar einmal miteinander versucht und waren dabei - nach anfänglich in Gekicher verkleideter Gehemmtheit - auch zu ihrem Vergnügen gekommen. Ein Versuch, der nicht mehr wiederholt wurde.
Aber sie litten doch darunter, daß sie ihre erotische Wirkung teilen mußten, daß ihr Sexappeal, auf eine Person bezogen, sozusagen halbiert war.
»Ich komme mir vor«, sagte Ann maulend, »wie ein Nachthemd beim Schlußverkauf. Mein Preis ist um die Hälfte herabgesetzt ...« - »Du taxierst dich noch viel zu hoch ein«, meinte trocken die illusionslosere Margret. »Einzeln sind wir nicht mehr wert als ein linker Schuh, dessen rechter verlorengegangen ist. Nur brauchbar für eine beinamputierte Hure.«
Keine neidete der anderen ihren jeweiligen Galan, ihre Gelegenheitslieben, ihre Abenteuer, zu denen ihnen ihre harte Berufsarbeit nur wenig Möglichkeiten bot. Der Schwarm der einen war nicht auch der Schwarm der anderen. Und Eifersucht gab es nicht. Nur die stete Eifersucht der Artisten, ein Eindringling würde die Nummer zum Platzen bringen, indem er einen Partner veranlaßte
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