Das Filmbett
auch sie der munteren Schar, die sich da unten mit hellem Mädchengeplauder erging, auch sie hatte sich längst von ihrem langen blonden Haar befreit und trug den Bubikopf, nein, den modischen Herrenschnitt mit der kecken Windstoßfrisur - auch sie war rank und schlank, aber sie schämte sich zutiefst ihres zweifachen Makels. Eines sichtbaren und eines unsichtbaren. Kein Zweifel - sie war gezeichnet: Sie hatte einen Busen, und sie war noch Jungfrau! Und beides war nicht mehr Mode. Ein Mädchen hatte vorne flach zu sein, und es galt als unangemessen, innerhalb der modischen Halsketten mit zusätzlicher Weiblichkeit zu prangen. Nun, der Busen, der ihr soviel Leid verursachte, war nicht besonders groß und auch durchaus wohlgestaltet, aber er war eben da, so sehr sie ihn auch unter ihren Kleidchen flachzudrücken suchte.
Und was ihre Unberührtheit betraf, über die sich ihre besten Freundinnen kichernd lustig machten, so hatte sie ihren Grund nicht in einer altmodischen Zimperlichkeit, wie wir bereits erwähnten. Sie hatte keine Scheu vor allem, was mit dem Körper zusammenhing. Und dann war sie so berufsbesessen, daß es ihr recht spießbürgerlich und vorgestrig erschien, sich für den einen und einzigen Mann ihres Lebens zu bewahren. Eine sentimentale Operette, die gerade uraufgeführt worden war und die sie verabscheute, schwelgte in der messianischen Verheißung: »Einer wird kommen, den werd' ich erhören ...«, aber sie fand diese Erwartung höchst albern. Sie war unromantisch, ein Kind der neuen Sachlichkeit, andererseits ... die Sache nur so zu betreiben, wie eine unumgängliche kosmetische Operation - dazu war sie wiederum nicht sachlich genug. Der lästigen Last ledig zu sein, um einer fragwürdigen Lust teilhaftig werden zu können, dafür schien sie sich doch wieder zu schade - nein, dafür schien ihr die Angelegenheit wieder nicht dringlich genug. Wie entschuldigte ihre Busenfreun ... ihre beste Freundin sie so burschikos mit der smarten Unverblümtheit, deren man sich neuerdings befleißigte: »Laßt sie nur, bei ihr hat es eben noch nicht geklingelt ... Warum soll sie ihren Laden vorzeitig aufmachen?«
Dabei war sie nicht völlig unschuldig, aber eine lasterhafte Demivierge konnte man sie bei Gott nicht nennen. Immerhin - den unvermeidlichen Körperkontakten beim Tanzen waren andere gefolgt, Zärtlichkeiten beim Entspannen nach dem harten Training, ein Streicheln hier, ein Kuß da - aber das geschah von Frauenhänden und Mädchenmündern, sie verabscheute diese Tendresse weder, noch fand sie einen besonderen Gefallen daran, und als einmal eine temperamentvollere Kollegin dreistere Annäherung versuchte und mit männlicherer Gebärde auf sie eindrang, wehrte sie sie nur gleichmütig und ohne Zorn ab. Sie war sicher, daß sie das nicht wollte. Allerdings - und auch das soll nicht verheimlicht werden -, als ihr einmal ihre Tanzmeisterin einen herzhaften und gutgemeinten Klaps auf den Po versetzte, wurde sie rot vor Scham - und vor Glück, und hatte eine unruhige Nacht, gegen die auch einige Gläser kalten Wassers nichts vermochten. Und die jungen Männer, mit denen sie zusammenkam? Ach, die Tänzer ihrer Truppe - waren sie denn anders als ihre Kolleginnen, mehr Frauen als Burschen, benutzten sie nicht auch Gesichtspuder und gelegentlich sogar den Lippenstift? Und zeigten sie nicht eine kaum verhohlene Abweisung ihres Geschlechtes, das sie zumindest etwas pointierter vor sich hertrug als die übrigen Mädchen?
Und andere Männer kannte sie nicht und wollte sie nicht kennenlernen, sie hatte von wenigen zufälligen Begegnungen mehr als genug. Männer, das wußte sie, lenken ab von Beruf, Aufgabe und Mission, sie stören die Ausrichtung auf ein künstlerisches Ziel ...
Sie seufzte - und da auf der Piazza die schräggestellten Tischchen der Cafes aufgerichtet, die Stuhlsitze abgetrocknet und mit bunten Kissen bedeckt wurden und sich Gruppen niedergelassen hatten, hielt es sie nicht länger in ihrem Zimmer, sie schlüpfte in eines ihrer kurzen Sommerkleidchen, angelte mit ihren Zehen nach ihren Sandaletten, ergriff die Handtasche, zählte - zum wievielten Male? - ihre Barschaft, wobei sie die kleinen Fünfzig-Rappen-Stücke so hübsch fand, daß sie in Versuchung geriet, sie zu sammeln, um sich daraus ein Zigeunerarmband machen zu lassen, kam zum Entschluß, daß sie sich ohne weiteres einen Espresso - so nannte man hier wohl einen starken Kaffee - leisten könne, zumal der Reiseproviant der Tante noch für
Weitere Kostenlose Bücher