Das Filmbett
herauskam.
»Sie sind Deutsche, mein Fräulein«, sagte er nett und ohne die arrogante Frechheit der üblichen Nachsteiger und Anquatscher, die ihr so widerlich waren,»... und natürlich auch vom Bau, oder sagt man vom Fach?« - Und da sie zu antworten vergaß, fuhr er fort: »Ich habe da drin Ihren Namen erfahren - Bianca -, er paßt nicht zu Ihnen, die vielen klangvollen Vokale sind zu rund für Ihre schwebende Erscheinung ...« (Sollte das eine Anspielung sein auf ihren ... so eine Frechheit!) »Ich werde sie Blanche nennen, ja, Blancheneige ...« (er sprach ihren verhaßten Nachnamen französisch aus) »... Snowwithe, Schneewittchen, ja, das sind Sie - und da drinnen, der Hausdiener, Mauro, ist bereits einer ihrer ergebenen Zwerge ... Mein Name ist übrigens Prinz Albert von ...«, aber bevor sie ihm sagen konnte, sein Adel interessiere sie nicht die Bohne, oder sie halte ihn schlicht für einen kleinen Hochstapler, oder sonst irgend etwas Brüskes, um ihm ein für allemal die Schneid abzukaufen, obwohl, zugegeben, das mit Blancheneige ihr eigentlich gefiel, andererseits sie sich natürlich keinesfalls als eine dumme Märchenfigur empfand - bevor sie also den Dreisten in die Schranken weisen konnte, fiel wie ein Hornissenschwarm eine Gruppe von Mädchen an ihrem Tisch ein und begrüßte sie mit der Akkolade von Staatsoberhäuptern, mit Kinderküßchen, Handschlag und Schulterklopfen - schließlich kannte man sich von der Ausbildung, von Gastspielen, Tanzabenden, von Tagungen und Symposien und vom Hörensagen ..., so daß dem jungen Mann nichts anderes übrig blieb, als sich mit einer knappen Verbeugung und einem bedauernden Lächeln zurückzuziehen. Blanches - und dabei wollen wir nun bleiben -, Blanches Initiation in die große Gemeinde hatte begonnen, sie war in die Familie der wilden Mädchen Asconas feierlich aufgenommen worden.
2
Es wurde - wie man so sagt - ein rauschendes Fest. Es dauerte viele Tage und Nächte, und für Blanche wurde es später schwierig, sich zu erinnern, wo was wann sich wie zugetragen habe. Das Fest fand in Villen und Trattorien, in Grotti und Palazzi, auf Schiffen und in Schwimmbecken statt, es war ein ausgelassener Carneval in einem Mädchenkloster, so, wie es einst Casanova mehrfach beschrieb, nur daß man im Sommer feierte statt im Winter, und Mädchenkloster, weil gegenüber der vorherrschenden Weiblichkeit Männer Mangelware blieben und hoch im Kurs standen.
Blanche kam meist nur in ihr Hotelzimmer, um Kleider und Wäsche zu wechseln - das alle drei Tage neu bezogene Bett blieb unberührt wie in der ersten Nacht.
Doch war das »Lotterleben«, dem sie sich so rückhaltlos ergab, auf mehr als nur eine Weise bemerkenswert. Blancheneige gefiel als Mensch und als Begriff, den man mit ihrem Namen verband. Und viele von den wenigen Männern boten sich an, ihre dienstbaren Zwerge zu sein. Da war zum Hausdiener und Kellner Mauro ein Fabio gekommen und ein Willem - von dem noch die Rede zu sein hat, dann ein Herr M. - auch er wird seine Rolle noch übernehmen ...
Doch versuchen wir, der Reihe nach zu erzählen. Oder wollen wir uns bemühen, wenigstens die wichtigsten Episoden dieser Geschichte wie in einem Film, in einer Montage aus Rückblenden anschaulich zu machen ...
Beginnen wir mit dem bewußten ersten Abend.
Zwei oder drei angeblich gewichtige Gründe gab es, dies oder das gebührend zu feiern - als Ort wurde eine große Villa im alten Tessiner Stil vereinbart, die Blanche später nie mehr sehen sollte, wie ihr überhaupt vieles aus jenem Zeitraum ganz und gar traumhaft in Erinnerung blieb.
Da sie den Vermouthwein, der damals ebenso wie der Schwedenpunsch als Modegetränk galt, verabscheute, der süße Haute-Sauterne, den der dicke Inflationsgewinnler dröhnend lachend als »Nuttensekt« apostrophierte, ihr nicht schmeckte, sprach sie dem ungewohnten Rotwein des Landes zu und ließ sich von seiner arglistigen Süffigkeit täuschen. Sie wurde betrunken, was ihr eigentlich sonst nie passierte. Aber es muß zu ihrer Ehre gesagt werden, daß ihre Trunkenheit des kindlichen Charmes nicht entbehrte, sie bekam weder das heulende Elend, noch wurde sie vulgär, noch neckisch-albern - nur ungeheuer lustig.
Als sich die strengen Hüterinnen der Tanzkunst, durch Alkohol und andere Stimulanzien in Stimmung gekommen, ihrer Feierlichkeit und ihres Sendungsbewußtseins weitgehend entledigten und aus den hehren Priesterinnen Großstadtmädchen geworden waren, die es nicht als Blasphemie
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