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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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es sich nur bequem, meine Herrschaften«, sagte er, »fühlen Sie sich wie zu Hause.« Mit keiner spießerhafteren Floskel konnte ein mittlerer Steuerbeamter seine Skatbrüder empfangen. »Gleich kommt Pritzelwasser und was Feines zum Präppeln ...« Wenn sich auch das angekündigte Mineralwasser später als Asti spumante herausstellte und die Happen als Kaviar-Lachs-und-Krabben-Sandwiches, war nicht zu verkennen, daß sich über die ausgelassene Stimmung der Mädchenschar vorerst der Mehltau einer gewissen Verdrossenheit oder einer zumindest gespielten Gelassenheit gesenkt hatte.
    Das Herrenhaus war eine gewaltige Villa im klassizistischen Stil und zeugte von dem Geschmack hochdotierter Fachleute, Baumeister, Garten- und Innenarchitekten, denen ein reicher Etat zur Verfügung gestanden haben mußte, und verriet damit, daß es dem Eigentümer an einem eigenen Geschmack mangelte. Für Blanche bedeutete der gepflegte Luxus nichts. Für Reichtum und Geld hatte sie - wie viele ihrer enragierten Berufsgenossinnen - kein Sensorium, beides war ihr gleichgültig. Sie streifte die Pracht kaum mit den Augen, während sie der Hausherr offensichtlich hofierte und sich bei dieser Gelegenheit ärgerlich darüber ausließ, daß ihm diese levantinische Prinzessin den »Hermaphroditen« um kein Geld der Welt verkaufen wollte: »Ihnen bestimmt nicht, sagte die, was sagen Sie dazu ...?«
    Viel mehr interessierte Blanche, was auf den Terrassen, den blumengeschmückten Rasenplätzen passierte, nachdem die Boote ihre Ladung gelöscht hatten. Mit der freudlosen Gleichmütigkeit von Liebesdienerinnen begann man sich ohne weitere Aufforderung allgemein auszuziehen, mit der gewohnten lässigen Betriebsamkeit einer Schulklasse, die in die Badeanstalt geführt worden war.
    »Na, kleines Fräulein - wollen Sie nicht auch?«
    Sie sagte - ohne jede Aggressivität und fast abwesend: »Ich hasse es, wenn man mich kleines Fräulein nennt«, stieg aus dem Kleid, streifte ihren Schlüpfer ab und legte beides sorgfältig wie ein Internatsmädchen auf die Balustrade. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, die vorgefaßte Rolle des verderbten Nixchens oder der erfahrenen »Madonna des sleepings« von Maurice Decobra zu spielen.
    Der große Reiz einer bestimmten Entwicklungsphase von Halbwüchsigen ist der rasche, kaleidoskophafte Wechsel von Kindlichkeit und Erwachsenheit.
    Der jugendliche Hunger auf Welt- und Lebenserfahrung ersetzt die phantasievollen, infantilen und unrealistischen maginationen der Unreife jäh durch klare Erkenntnisse und Einsichten.
    Die jungen Augen, die frischen Sinne durchstoßen plötzlich die kindlichen Vorstellungsbilder, die sie bislang umschlossen, und nehmen klarer und unbestechlicher die Dinge wahr als die abgebrauchten, gewohnheitsträgen Sinnesorgane Erwachsener.
    So erging es auch unserer jungen Heldin. Jetzt, nachdem sich die Party etabliert hatte, Delikatessen und stimulierende Getränke für eine gewissen Laune gesorgt hatten, für Frohgemutheit und erste Versuche von Scherz und Neckerei, glich sie immer noch eher einer ehrpusseligen Nudistenveranstaltung, die auf Anstand bedacht war und sich viel zugute tat auf ihre freikörperliche Ungezwungenheit, die in dieser Sonne, in dieser Luft sicher auch am Platze war und erfreulicher als das hohle Gewäsch und das alberne Getue vornehmer, standesbewußter Gesellschaftlichkeit. Aber war sie nicht doch nur eine andere Form sich elitär gebender weltanschaulicher Vereinsmeierei? Dieser ausgewählt hübschen Weiblichkeit im Evakostüm stellten sich die wenigen - allzu wenigen -Herren, die nackten Hacken zusammenschlagend, mit knapper kommentmäßiger Verbeugung vor wie Tanzstundenjünglinge: »Gestatten, Gnädigste, mein Name ist ...«
    Hier herrschte keine freie heidnische Sinnenhaftigkeit, sondern die korrekte angepa'ßte Form zivilisierter Verhaltensstilistik. Von der erwarteten Orgie konnte keine Rede sein, hier wurde ein domestizierter steriler Schönheitskult betrieben, das Bacchanal der Sinnenlust war ein konventionelles Ritual - nur ohne kostümliche Verpackung. Ein hemdärmeliges Betriebsfest - nur ohne Hemden. Nacktheit ohne Mysterium, ohne Geheimnis und Magie war eben nur nackte Blöße.
    Dies hier war kein Hörselberg und keine Venusgrotte.
    Sie hatte einmal in einer modernen Wagnerinszenierung es »Tannhäuser« im Bacchanal des ersten Aktes eine Grazie statieren dürfen, im Ganztrikot natürlich, das nach Theaterschweiß roch - aber um wieviel größer war da das

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