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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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Vorstellung beigewohnt.
    Alles stürzte in ihr zusammen. Hier hatte sich kein Paar in Leidenschaft umfangen; zwei Statisten - womöglich bezahlte, und Willem war ja wohl ein Angestellter - hatten den Liebesakt, in dem die Liebe ein Fremdwort war, gemimt, zur Darstellung gebracht, in seiner ganzen unverblümten naturalistischen Gegebenheit.
    Das war Unzucht, Prostitution, unsittliches Gewerbe.
    Und als sich das Paar auch noch dem Publikum stellte, sich linkisch verbeugte, ja, verlegen grinsend lächelte - wie Dilettanten dies meistens tun -, vor diesen ... diesen Voyeuren, denen heiligste Intimität nur kulinarisches Schauvergnügen war, brach es aus ihr heraus und sie begann vor Wut und Enttäuschung zu schreien. Sie stürzte, blind vor Tränen, durch das Gebüsch, aber schon als der aufgeschreckte Gastgeber auf sie zukam, während seine Freunde und die wenigen Gespielinnen verstört zurückblieben, drängte sich ihr die Gewißheit auf, daß sie um kein Jota besser war als diese hier -auch sie war ein Voyeur gewesen, der Vergnügen an dem Schauspiel gehabt, Lust und Erregung verspürt hatte.
    Und war sie heute morgen nicht bereit gewesen, selbst eine unzüchtige Vorstellung vor einem Zuschauer zu geben - und der Zorn, der sie mit Fäusten auf die Brust des Hausherrn trommeln ließ, der nichts zu sagen wagte und sie nur hilflos im Arme hielt, wich einem großen Schmerz. Sie begann haltlos zu schluchzen.
    Das Monster stammelte nur: »Ich habe doch nicht gewußt ...«»... Ich wollte doch gar nicht ...«, und strich ihr gehemmt über den Knabenkopf.
    Da wurde Blanche klar, daß dieser karpfenäugige, glatzköpfige reiche Mann ein armer Hund war, der Bourgeois gentilhomme mehr Eunuch als Pascha - und weil die Tränen noch immer nicht versiegten (während sie schon nicht mehr wußte, worüber sie eigentlich weinte), bat sie, nach Hause gebracht zu werden, was zu bewerkstelligen man umgehend versprach.
    Sie wurde auf Umwegen und ungesehen von der übrigen Gesellschaft in die Villa geführt, man holte ihre Kleider vom genau beschriebenen Platz - links, am Ende der Balustrade -, sie bemerkte nicht die groteske Situation, wie Männer und Frauen gleichzeitig sich bemühten, sie anzuziehen.
    Aber es wurde ihr jetzt erst bewußt - wie Eva, nachdem sie vom Baume der Erkenntnis gegessen hatte -, daß sie die ganze Zeit nackt gewesen war.
    Als sie alle ihre Siebensachen beisammen hatte, meldete ein - wenn auch nur flüchtig - uniformierter Willem mit noch strubbeligem Blondkopf, daß das Boot bereit stünde. Sie sah -zum erstenmal - in die starren Fischaugen ihres Gastgebers, sah das abgrundtiefe Unvermögen dieses vermögenden Mannes - da drückte sie in der jähen Anwandlung eines Gefühles von Mitleid den Glatzkopf an sich, gab ihm einen Kuß auf die Stirne, flüsterte ein wohl völlig unangebrachtes »Danke« -aber man weiß ja, daß die unkontrolliertesten Regungen des Herzens oft ihren eigenen tiefen Verstand haben. Dann lief sie vor Willem rasch zum Bootssteg hinab und hörte nur noch auf halber Treppe eine spitze Stimme: »Also, wenn ihr mich fragt, ist sie eine hysterische dumme Gans!« Aber sie konnte nicht mehr verstehen, ob jemand eine Antwort darauf gab.
9
    Willem fuhr mit dem Boot keine kühnen Kurven mehr, sondern hielt den Kurs so gerade wie seinen Blick. Und Blanche besaß nichts mehr von ihrem blasierten Hochmut, den sie am Morgen zur Schau gestellt hatte ... zur Schau ... zur Schau ... zur Schau ... echote es in ihr, nach dem Takte des Motors. Hatte sie sich wirklich wie eine dumme Gans benommen und zudem über alle Maße selbstgerecht? Jedenfalls fühlte sie sich ziemlich belämmert und sie schnupfte indigniert auf. Sie hatte wie ein lüsternes, albernes Gör das Laster gesucht, die wollüstige heimliche Sünde, die verbotenen Früchte, und als sie sie fand, geflennt wie ein Kind, das seinen Ball mutwillig in eine Fensterscheibe geworfen hat.
    Es wird höchste Zeit, daß du erwachsen wirst, sagte sie sich in edler Selbsterkenntnis. »Nur Backfische spielen mit der Liebe wie Kinder mit dem Feuer, weil sie noch nicht wissen, wie es brennen kann«, hatte sie einmal irgendwo gelesen, und wie ein Backfisch hatte sie sich benommen.
    Sie dachte daran, wie aufregend sie das gefunden hatte, worüber man heute noch am Theater munkelte: wie skandalös es früher beim Ballett angeblich zugegangen sei, wenn die Delegation der hohen russischen Offiziere in die Stadt gekommen war, und es dann auf der Probetafel hieß: Morgen

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