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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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Sinn, ins Nichts zu schießen, um dann mit leeren Waffen dazustehen.
    Keuchend standen die drei Männer in der Stille, die ebenso plötzlich und in ihren Ohren dröhnend wieder um sie herum eingekehrt war, wie kurz vorher das Krachen der Gewehre sie zerfetzt hatte. Die beiden Älteren hielten Kimme und Korn starr auf die Wegmündung am Waldrand gerichtet, während der Jüngste, seinen Fehler einsehend, so überstürzt nachlud, dass seinen klammen Fingern die erste Patrone in den Schnee entglitt.
    Doch seine Eile war umsonst. Die Stelle, wo eben die Gestalterschienen war, blieb leer. Und als ihre von dem nachklingelnden Lärm der Büchsen kurzzeitig betäubten Ohren wieder offen waren, hörten sie Hufgetrappel in den Wald entschwinden.
    Der Bärtige zögerte nicht lange: »Die Pferd!« winkte er seine Brüder eilig zum Hof zurück. »Schnell!«
    Und wenn ihre Hast dabei nicht ganz verausgabend war, dann dank der Überzeugung, dass der Fremde mit ihrem in den dunklen Morgenstunden vorausgerittenen Bruder bereits einen Verfolger hatte.
    Es war eine Hoffnung, die sich bald als berechtigt erwies: Die drei Männer waren selbst kaum über die Kuppe geritten, da konnten sie nach ein paar Dutzend Metern vor sich erkennen, wie sich zu der Spur des Maultiers im in der Nacht gefallenen Schnee seitlich aus dem Wald kommend eine zweite gesellte.
    Noch immer hüteten sich die drei Brenner-Söhne davor, etwas zu überstürzen. Sie hatten ihren Pferden einen geschwinden Trab auferlegt statt eines Galopps, sie wollten nicht zu schnell in eine Situation hineinreiten, die sie vorher nicht halbwegs Gelegenheit hatten zu überblicken. Aber die zweite Spur gab ihnen Zuversicht und den Mut, ihr Tempo nicht zu sehr zu zügeln.
    Vor allem hatten sie Vertrauen in ihren Bruder. Er war immer einer der Geschicktesten und Verständigsten von ihnen gewesen – manche im Dorf hätten auch gesagt, Verschlagensten. Er war der erfolgreichste Jäger unter ihnen, der schon manche Beute erlegt hatte, an der die anderen die Geduld verloren hatten. Und er hatte schon als Kind, vor über zwanzig Jahren, die Unbarmherzigkeit eines gestandenen Mannes gezeigt.
    So wunderte es sie auch nicht, dass die Spuren so schnellkein Ende fanden: Ihr Bruder würde nicht voreilig handeln. Ihm war aufgetragen, den Fremden im Auge zu behalten – ihn aber nicht einfach hinterrücks über den Haufen zu schießen, solange er tatsächlich bereit schien, die offene Konfrontation zu suchen. Die Brennerschen hatten es nicht nötig, feige Mörder zu sein; zuallererst vor sich selbst wollten sie sagen können, dass sie sich wie Männer benahmen. Und noch etwas trieb sie guten Gefühls voran: Es war offenbar die Absicht des Fremden, sie möglichst weit von ihrem heimischsten Terrain zu führen, wo er sie zu sehr im Vorteil wähnte. Der Fremde befand sich nicht auf der Flucht, er wollte nur den Ort der Auseinandersetzung selbst bestimmen. Aber dann musste er auch irgendwo von selbst anhalten und sich ihnen stellen. Denn welchen Sinn hätte es sonst gehabt, überhaupt zu dem vereinbarten Treffen zu erscheinen?
    So eilten sie siegesgewiss den Hufabdrücken hinterher, die Anhöhe hinunter, durch den Wald und schließlich in die freie Ebene, wo die Pferde an manchen Stellen bis zum Bauch im Schnee versanken und wo auch die Passage der Vorangerittenen solch breite Spuren in das Weiß gepflügt hatte, dass dem Verlauf eines befestigten Wegs nicht leichter zu folgen gewesen wäre.
    Der Vorsprung des Fremden konnte keine Viertelstunde betragen, länger hatte es gewiss nicht gedauert, bis sie die Tiere aus dem Stall gezerrt und gesattelt hatten. Und da auch er in diesem Schnee keinen Galopp anschlagen konnte, mussten sie sein Maultier mit ihren Pferden bald eingeholt haben.
    Sie waren sich sicher, dass sie ihn inzwischen schon vor sich sehen könnten, wäre das Gelände, je mehr sie sich dem Mühlbach näherten, nicht wieder hügelig und bewachsen, der Pfad nicht wieder schlängelnd geworden.
    Und in der Tat musste ihr Bruder schon gehört haben, dass sie sich von hinten näherten.
    Denn als sie über die Mühlbachbrücke stoben, da hatte er den Fremden soeben eingeholt und gestellt.
    Der Fremde war nicht viel weiter gekommen als bis zu dem Wrack des Kutschwagens, als der Brenner-Sohn ihn zum Anhalten gezwungen hatte. Die drei Verfolger sahen ihren Bruder – noch immer in die dicke Jacke, Hut und Schal gemummt, mit denen er sich gegen die Kälte der Nachtstunden gewappnet hatte – auf seinem

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