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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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Pferd im sicheren Abstand von einem guten Dutzend Metern links vom Weg warten, das Gewehr unbestechlich im Anschlag. Als er sie über die Brücke kommen sah, winkte er – ohne sein Ziel aus dem Visier zu verlieren – kurz den drei anderen zu und deutete triumphierend auf den Fremden.
    Der saß, ohne sich bisher auch nur aus der Richtung seines Ritts gewendet zu haben, mit dem Rücken zu ihnen starr auf seinem Maultier. Sein Gewehr steckte nutzlos in seiner Sattelhalterung.
    Die drei Ankömmlinge hielten an, sobald sie die Brücke verlassen hatten. Auch sie wollten nicht den Fehler machen, ihren Triumph zu früh zu feiern, und hielten sicheren Abstand. Alle drei zogen sie ihre Waffen hervor und legtenan.
    »Steig ab!« befahl der Bärtige mit hörbarem Genuss dem überrumpelten Widersacher.
    Der Fremde rührte sich nicht.
    »Steig ab!« wiederholte der älteste Brenner-Sohn, schärfer diesmal. Und setzte hinzu: »Oder i knall’ di glei ab.«
    In den Mann auf dem Maultier schien Bewegung zu kommen, aber dann blieb er doch im Sattel sitzen.
    Der Bärtige schaute seine beiden Brüder neben sich kopfschüttelnd an, ungläubig angesichts der sturen Feigheit, die der Fremde da an den Tag legte.
    »Ein letzt’s Mal«, bellte er in die frostige Luft, und seine Stimme ließ keinen Zweifel, dass sein Geduldsfaden bereits gefährlich überspannt war. »Steig ab!«
    Der Fremde zuckte eigenwillig zusammen, und dann hieb er seine Füße dem Maultier in die Flanken.
    Jetzt hatte der Bärtige genug gesehen. Er hatte jede Bereitschaft gehabt für ein Gegenübertreten unter Männern. Aber wenn den Fremden, der dieses gefordert hatte, jetzt der Mut dazu verließ, dann war das nicht seine Schuld. Dann konnte man nicht mehr von ihm erwarten, dass er so einem auch noch nachritt, dass er da jetzt noch lange Anstalten machte. Da konnte ihm keiner einen Vorwurf machen, wenn er die Sache nun gleich ohne Aufhebens zu dem dreckigen Ende brachte, die sie sowieso genommen hätte. Er presste den Kolben seines Gewehrs fest an die Schulter, peilte mit scharfem Auge, bis der Lauf sich an die Bewegung des widerwillig lostrabenden Tiers geschmiegt hatte, und drückte ab.
    Ein rauchendes Loch platzte in der linken Schulter des langen Mantels des Fremden auf und begann nach einer Schocksekunde, sich rot zu färben.
    Als hätte dieser Schuss dem Bärtigen den Schlüssel gegeben zu einem allerletzten Quäntchen Geduld, ließ er doch noch einmal den Ruf ertönen: »Steig ab!«
    Der Fremde schüttelte sich nur, und dass er dies jetzt noch zum Lachen zu finden schien, machte den Bärtigen rasend. Er nickte seinen Brüdern zu, und alle außer dem schon Vorangerittenen entluden, zusammen mit dem zweiten Rohr des Bärtigen, ihre doppelläufigen Waffen in den Rücken, in den Hinterkopf des Manns auf dem Maultier, das erschreckt bockte und blökte. Rote Wölkchen stieben in das Weiß des Tags.
    In blutigen Fetzen sank der Fremde im Sattel zusammen.Fast tat es dem Bärtigen leid, dass der Mann diese Salve nicht überlebt haben konnte. Er hätte ihm zu gern noch einmal in die brechenden Augen geschaut und ihm ein paar Worte in den Tod mitgegeben, wie sie ein solch feiger Hund verdient hatte. Und dann hätte er ihm in so vielen Einzelheiten, wie das Sterben noch erlaubt hätte, ausgemalt, was die Hure erwartete, die er glaubte, befreit zu haben.
    Aber wenigstens das tote Gesicht zu sehen würde ihm eine gewisse, wenngleich viel geringere Befriedigung sein. Und so steckten er und seine Brüder ihre Gewehre weg und ritten gemächlich zu dem Erschossenen. Das Maultier sprang umher, noch verstört von dem Lärm – es schien zu spüren, dass seine Last eine grausige geworden war, und versuchte erfolglos, sie abzuschütteln. Aber bald merkte es, dass das Knallen wieder aufgehört hatte und dass sein Sträuben so anstrengend wie fruchtlos war, und so stand es schnaubend still und schien zu überlegen. Die drei Männer stiegen ab, der Jüngste fasste das Tier am Zügel, strich ihm über die Schnauze und beruhigte es.
    Der Bärtige wollte den Toten auf den Boden ziehen, doch seine Füße glitten nicht aus den Steigbügeln, und der Körper kippte lediglich im Sattel nach hinten, wie die erstarrte Karikatur von einem, der sich in geselliger Runde am Tisch nach einem besonders gelungenen Witz vor Lachen bog.
    Zunächst erkannte der Bärtige das blutüberströmte, todesverzerrte Gesicht überhaupt nicht wieder. Dann war in seinem Bewusstsein für eine Sekunde nichts als die

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