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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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innerlich schon vorbereitete, halb verletzte, halb angriffslustige Miene der Verteidigung überzuwechseln. Doch noch bevor Luzi den Mund zur Rede geöffnet hatte, entwaffnete ihre Mutter die fehlgeleitete Entrüstung mit einem schlichten: »Hab’s mir schon lang denkt.« Und legte ihre knotigen Hände streichelnd um eine der jungen, weichen Fäuste, die Luzi unbewusst auf der Tischplatte geballt hatte.
    Die Tochter stutzte einen ausgebliebenen Lidschlag lang, und dann – begreifend, was diese fraglose Zustimmung zu ihrem jungen Glück bedeutete – sprang sie von ihrem Stuhl auf und umarmte ihre Mutter so fest, dass der fast die Luft wegblieb. Und wenn nun vielleicht doch die ein oder andere Träne floss, dann waren es nur welche der Freude.
    Als wieder Beruhigung eingekehrt war, wollte die Gaderin dann doch all die Einzelheiten wissen, die Luzi, von allen Sorgen der Ablehnung so unerwartet schnell befreit, nur zu gerne preisgab. Der Auserwählte, so stellte sich heraus, warLukas, ein Bursche von einundzwanzig Jahren, jüngster Sohn eines der Bauern, der seinen Hof am Rand des Dorfes hatte, an der Straße zum Haus der Gaderin gelegen. So hatten die beiden jungen Leute sich schon seit Jahren immer wieder gesehen, aber erst in diesem Sommer hatten sie wirklich Notiz voneinander genommen. Da war Luzi aufgefallen, dass dieser Kerl eigentlich ganz stattlich war, dass er in ihren Augen eine angenehme Figur machte und auch sein Gesicht mit dem dichten Oberlippenbart nicht schlecht anzusehen war, wie es ernst versunken war in das Tagwerk und nur ab und zu aus der Ruhe gebracht, wenn der Schweiß ihm seine nussbraunen Locken vor die Stirn fallen ließ und er sie zurückstrich. Irgendwann muss er dann auch gemerkt haben, dass dieses Mädchen, das schon zahllose Male vor dem Zaun vorbeigegangen war, auf einmal merklich langsamer schlenderte, wenn es seinen Hof erreichte, und mehr interessierte Blicke auf sein Tun richtete, als es beiläufige Neugier zu erklären vermochte.
    Und also war auch seine Aufmerksamkeit geweckt, und seine Blicke in ihre Richtung waren häufiger geworden – und dabei hatte auch er bald festgestellt, dass das, was sich seinen Augen da bot, recht hübsch anzuschauen war. Und dann hatten sich die wechselseitigen Blicke regelmäßig zu treffen begonnen. Und ihr Schritt am Hof vorbei hatte sich noch mehr verlangsamt. Und man hatte sich zunächst ein vorsichtiges, unverbindliches »Servus« zugeworfen – und irgendwann waren dann beide am Zaun gestanden und hatten sich zum ersten Mal unterhalten. Und weil es eine so schöne Unterhaltung war – auch wenn keiner der beiden nachher noch hätte sagen können, wovon die Rede war, außer dass sie einander nun nicht mehr bloß reizvolle Gestalten waren, sondern jeder für den anderen einen Namen hatte –, nachdem es also so eine schöne Unterhaltung war, führte man beim nächsten zufälligenZusammentreffen wieder eine. Und weil auch das eine schöne, wenngleich für Außenstehende vielleicht etwas inhaltsleere Unterhaltung war, und weil einem inzwischen so manches an dem anderen lieb geworden war – der Anblick, die Stimme, und der Name, den man sich angewöhnt hatte, hin und wieder mit einem Lächeln still vorzusagen –, nun, da beschloss man, dass man sein Möglichstes tun würde, um in Zukunft die Zusammentreffen nicht mehr gar so dem Zufall zu überlassen.
    Und so war Lukas immer häufiger gerade dann vor dem Hof, oder im Dorf, oder hinter der Kirche, wenn auch Luzi dort erschien. Und die Unterhaltungen wurden immer schöner, und immer zärtlicher. Und irgendwann sprach dabei einer von beiden es endlich aus: dass man sich mehr als nur gernhatte.
    Viel und lang wurde erzählt an diesem Abend, versammelt um den Stubentisch, dieser Insel von Licht und Wärme in dem sonst dunkel daliegenden Haus inmitten der nachtblauen Wogen von Schnee, fern von den nächsten Menschen und deren Heim in diesem hohen, finsteren Tal. Nach einer Viertelstunde war zwar eigentlich alles gesagt, war jedes wesentliche Detail erzählt und bestätigt. Aber die Gaderin konnte nicht genug bekommen von dem Glück, das aus dem Gesicht ihres Kindes zu all den Worten sprach und mehr mitteilte als diese. Und Luzi war so erleichtert und froh, dass ihre Freude nicht nur keinen Widerspruch fand, sondern sich so offensichtlich auch auf die Mutter übertrug und mithin auch für Luzi noch wuchs, dass es einfach weiter aus ihr heraussprudeln musste – bis die Lukassche Herrlichkeit bald bis in

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