Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
möchte.
Greider nickte nur.
Dem Pfarrer kam dieses Ansinnen fraglos ungelegen, aber nicht nur war er seinem Amt verpflichtet – man sah ihm förmlich an, dass Greider seine Neugier geweckt hatte. Das Achselzucken, das der stämmige Mann als Antwort gab, sagte so viel wie: ›Nun, ich will durchaus einmal hören, was du an Sünden zu erzählen hast! Wer weiß, wozu mir dies Wissen vielleicht einmal dient?‹
»Gut«, meinte der Priester, »ich lösch’ nur schnell die Kerzen.« Er wies Greider schon einmal in Richtung des engen Beichtstuhls aus dunkel lasiertem Holz, der sich neben der Tür zur Sakristei an die Kirchenwand duckte. Greider kam der Aufforderung nach und schritt zu dem Beichtstuhl, während Breiser die letzten paar Kerzen erstickte. Er schob den schwarzen Vorhang auf der Büßerseite des Gestühls zurück, zwängte sich hinein und zog den Stoff wieder zu. Kurzdarauf hörte er den Pfarrer auf der gegenüberliegenden Seite Platz nehmen, was das alte Holz mit einem gequälten Ächzen quittierte. Dann tat sich die Klappe hinter dem Holzgitter in der Trennwand auf.
»Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen«, eröffnete Greider mit nüchterner, aber nicht respektloser Stimme.
»Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und Seine Barmherzigkeit«, erwiderte Breiser mit einem Ton, dem die Routine ungezählter Wiederholungen noch nicht das Gespür für das Gewicht der Worte und ihres Sinns geraubt hatte.
»Amen«, antwortete Greider. Und dann, nach einer kleinen Pause: »Es sind zwei Jahre seit meiner letzten Beichte.«
Wieder ließ er einen Moment des Schweigens folgen, als überlege er, was vorab noch zu erklären, welche Umschweife zu machen wären. Dann sagte er einfach: »Ich habe übertreten das Fünfte Gebot.«
Breiser, das war selbst durch das Gitter zu merken, stutzte. »Das Fünfte Gebot?« fragte er nach – sicher, der Fremde müsse sich in der Nummerierung vertan haben.
»Ich habe getötet«, räumte der jedoch jede Möglichkeit des Missverständnisses aus.
Breisers Gesicht drängte sich mit einem Mal ganz nah an das Gitter heran, sodass er mit einem stechend aus dem Dunkel des stickigen Kabuffs hervorglänzenden Auge den Fremden mustern konnte, der ruhig an der Rückwand lehnte. In Breisers Blick wandelte sich der Unglaube binnen zwei Wimpernschlägen in einen schlimmen Verdacht. »Die Brenner-Buben«, stieß er, halb fragend, halb feststellend hervor, und seine Stimme hatte alles abgestreift, was sie mit dem Amt des Priesters verband.
Greider – wohl wissend, dass alle vom Beichtstuhl inszenierteUnsichtbarkeit, Diskretion nur noch eine Farce war – nickte einfach.
Breisers Gesicht verschwand von dem Gitter, und die Geräusche aus seinem Abteil verrieten, dass der Gottesmann drauf und dran war, hervorzustürzen und den Fremden ans Licht zu zerren, um ihn von Angesicht zu Angesicht ohne Achtung irgendeines Sakraments zur Rede zu stellen.
Greider griff unter seinen Mantel. Ein hartes, metallisches Klacken ließ die Bewegungen des Pfarrers schlagartig erstarren. Jetzt war es an Greider, sein Gesicht nah an das Gitter zu führen und daneben den Lauf des Gewehrs sehen zu lassen, dessen Hahn er soeben gespannt hatte.
»Setz dich«, befahl er Breiser.
Der bullige Mann war bleich geworden, ein Zittern durchlief seinen Körper, aber beides war zuvorderst weder Schreck noch Angst geschuldet, sondern einer ohnmächtigen, schäumenden Wut.
»Wer bist du?« stieß er zwischen seinen Zähnen hervor.
Greider lächelte den Priester eine Weile durch das Gitter bloß an, und wandte dabei ganz leicht sein Gesicht hin und her, als wolle er dem anderen Gelegenheit geben, es in dem verschattet hereindringenden Licht besser zu begutachten.
»Wer bist du?« wiederholte Breiser, bebend vor Zorn, aber nun doch auch mit einem unheimlich berührten Unterton.
»Du hast meine Mutter gekannt«, gab ihm Greider endlich zur Antwort.
Tief gruben sich die Finger des Priesters in die Wangen der jungen Frau, die vor Schmerz ihre fest zusammengekniffenen Augen aufriss. »Schau hin, was wir mit solchen wie euch machen«, herrschte er sie an. Er hatte sich heruntergebeugtzu ihr, wo sie hilflos am Boden gehalten wurde von einem an ihren Rücken gepressten Burschen, der seine Arme fest wie ein Schraubstock um sie verschränkt hatte. Das Gesicht Breisers – fleischig, aber schon die spätere erbarmungslose Härte des Alters ahnen lassend, umkränzt von
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