Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Mauern und Erdwällen. Tonnengewölbe, die wochenlangem Beschuss widerstehen würden. Mannschaftsräume, Vorratslager, eine große Messe direkt vor der Küche. All dies war vom Hof her nur durch drei Tore zu betreten, von denen Tunnel in ein weit verzweigtes Labyrinth mündeten. Man hatte dies so gebaut, um die Anlage besser verteidigen zu können. Doch mit einem Angriff von innen hatten die Baumeister nicht gerechnet.
Der Ritter reichte Lilianne eine Messinghülse, in der eine dicke, glühende Lunte steckte.
Die Komturin nahm eine der schweren, mehr als faustgroßen Eisenkugeln aus dem Beutel. Sie prüfte den Sitz der
Lunte, die darin steckte. Die Zündschnur war länger als ihr Mittelfinger. Sie zog das Messer, mit dem sie die Wachen getötet hatte. Die Klinge war noch nicht gereinigt. Sie kappte die Schnur in der Mitte.
»Das ist sehr kurz, Komturin«, wandte der Ritter ein.
»Dann solltest du wohl besser ein paar Schritt entfernt stehen, wenn ich die Lunte entfache.« Sie blickte zu ihrem Ordensbruder auf. Er war blutjung, einer der Novizen, die in diesem Sommer zum Ritter geworden waren. Jetzt trug er die schäbige Kleidung eines Tagelöhners. Aber sein Gesicht passte nicht zu diesem Aufzug. Er sah edel aus … und er hatte ausdrucksvolle dunkelblaue Augen. Lilianne wusste, dass er neben ihr stehen bleiben würde, ganz gleich, was sie tat. Seine Angst, als ein Feigling zu gelten, war größer als die Angst davor, durch eine vorzeitig explodierende Granate verstümmelt zu werden.
Lilianne blies die Lunte in der Messinghülse an. Dann entzündete sie die Granate. Die Lunte zischte. In aller Ruhe ließ sie die Eisenkugel in den Schacht fallen und legte sich dann auf den kalten Boden. Die Explosion folgte, kaum dass sie lag. Rauch drang aus dem Abzug. Sie malte sich aus, wie die Eisensplitter der Granate durch die gedrängt volle Messe gefegt waren.
Die Festtagslieder waren verstummt. Stöhnen und das Geschrei Verwundeter hallten im Schacht wider. Aufgeregte Rufe. Lilianne lauschte eine Weile. Sie hielten es für einen Unfall, auch wenn sie sich nicht erklären konnten, was geschehen war. Die Komturin beugte sich über den Schacht. »Hier spricht Lilianne de Droy. Ich bin die Befehlshaberin der Truppen, die in diesem Augenblick Gonthabu besetzen. Ich fordere euch hiermit zur bedingungslosen Kapitulation auf. Ihr habt eine Stunde Bedenkzeit. Alle Zugänge zu den Kasematten sind verbarrikadiert. Knochenklopfer werden vor
den Eingängen in Stellung gebracht werden. Auch die übrigen Garnisonen sind gefangen gesetzt oder ausgelöscht. Die Stadt ist in unserer Hand. Mit Entsatz solltet ihr nicht rechnen. Wenn ihr euch in einer Stunde nicht ergebt, werden die Kampfhandlungen eröffnet. Ich bitte euch als Ritterin, vergeudet euer Leben nicht in einem sinnlosen Gefecht. Ich habe die Pläne der Kasematten und bin darauf vorbereitet, euch dort drinnen auszuräuchern. Denkt an eure Familien und an die Zukunft des Fjordlandes. Euer Land wird euch brauchen, wenn dieser Krieg vorüber ist. Werft eure Leben nicht in einem sinnlosen Kampf fort.«
Sie hörte ein vertrautes Geräusch und zog hastig den Kopf zurück. Ein Schuss wurde abgefeuert. Die Kugel klatschte weit unter ihr ins Mauerwerk des Schachts.
»Eine Stunde!«, rief Lilianne erneut.
ABSCHIED
»Du kannst nicht gehen! Du musst sein, was Gishild in dieser Stunde nicht ist. Du musst herrschen. Sie als Königin vertreten. «
Erek hielt die Lippen zusammengepresst und nickte. Sie standen im königlichen Stall. Außer ihnen beiden war niemand mehr hier. Sigurd war überrascht, wie gefasst der König blieb, obwohl es keine Zeugen ihres Gesprächs gab. Die Unglücksnachricht hatte sie am frühen Abend erreicht und alles verändert. Eigentlich hatte Erek trotz aller Widerstände eine
Entsatzmacht nach Aldarvik führen wollen. Aber nun wurde das Königreich an zwei Fronten angegriffen, und das zu Einbruch des Winters! Niemand, der seinen Verstand beieinander hatte, führte in einer Jahreszeit Krieg, in der das Wetter höhere Verluste fordern würde als der Feind, gegen den man eigentlich zu kämpfen beabsichtigte. Aber die Tjuredpriester waren offensichtlich völlig verrückt geworden. Den Angriff auf Aldarvik konnte Sigurd ja noch verstehen. Die kleine, schlecht befestigte Stadt würde keine lange Belagerung nötig werden lassen. Aber Gonthabu … Das war Irrsinn! Und diesen Wahn ihrer Feinde mussten sie nutzen! Sobald die Truppen der Priesterschaft geschwächt waren,
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