Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Wo war die zweite Amme?
»Sie blutet zu stark.«
Wer hatte das geflüstert? Gishild sah in die Gesichter um sie herum. Die Amme neben ihr hatte Angst. Warum konnte sie sich nicht beherrschen?
Es ging wieder los. Sie schrie. Es war, als würde sie zerreißen.
»Sie ist zu stark. Sie wird das Kind bei der Geburt zerdrücken. «
Das war Morwenna gewesen! Sie erkannte den Akzent der Elfe. Immer wenn sie jemanden ansah, schlossen sich die Münder. Und sie flüsterten nur. Aber mit ihren Ohren war noch alles in Ordnung, dachte Gishild wütend. Sie verstand sehr gut, was gesprochen wurde!
Die Schmerzen kehrten zurück. Sie bäumte sich auf. Schrie.
Plötzlich war da Erek. Er stand über ihr. Er sah sie lächelnd an. Er war der Einzige hier, der lächelte. Er strich ihr über die Stirn. »Du schaffst das«, sagte er voller Zuversicht. »Du hast ganz andere Schlachten geschlagen.«
Gishild stiegen die Tränen in die Augen. Sie wollte nicht weinen, aber sie konnte sich nicht beherrschen.
Er nahm jetzt ihre Hand. »Ich bin bei dir.«
Gishild hatte das Gefühl zu fallen. Sie kämpfte nicht dagegen an. Sie war schwach. Morwenna beugte sich über sie. Die Elfe berührte ihren Bauch. Eine der Hebammen hob ein Tuch hoch, so dass sie nicht sehen konnte, was sie mit ihr taten. Ängstlich blickte sie zu Erek. Er strahlte eine ruhige Zuversicht aus, die besser war als tausend Worte. Allein ihn anzusehen, gab ihr neue Kraft. Er war ihr Schicksal. Und er war ein guter Mann. Sie sollte ihn besser behandeln, freundlicher zu ihm sein. Er hatte ihr so oft geholfen. Wo Luc wohl war? Würden sie ihn zu ihr lassen? Wahrscheinlich würde Erek darüber entscheiden. Sie sehnte sich nach Luc, danach, von ihm gehalten zu werden … Aber sie konnte Erek nicht bitten, ihren Ritter vorzulassen. Nicht jetzt. Nein, nie! Sie musste ihren Mann besser behandeln …
Plötzlich hörte sie einen Schrei. Quäkend. Erst schwach, dann entschiedener.
Sie sah, wie Erek schluckte. Seine Augen schimmerten feucht. Er drückte ihre Hand. »Du hast es geschafft! Ein Sohn. Wir haben einen Sohn!«
Gishild versuchte sich aufzurichten, um das Kind zu sehen, aber sie war so schwach, dass sie nicht einmal den Kopf zu heben vermochte. Sie brachten das Kind weg! Was geschah da?
»Sie waschen es«, sagte Erek ruhig, als könne er in ihren Gedanken lesen. Er strich ihr das verschwitzte, strähnige Haar aus dem Gesicht. Sie sah wahrscheinlich entsetzlich aus. Und doch sah er sie voll stiller Liebe an. Sie wich seinem Blick aus. Sie hatte ihn nicht verdient.
Morwenna kehrte zu ihr zurück. »Einmal abgesehen von den Ohren ist es wirklich ein hübsches Kind.« Sie reichte ihr ein kleines Leinenbündel. Es war das erste Mal, dass Gishild die düstere Elfe scherzen hörte.
Sie nahm das Kind in den Arm. Sein Gesicht war ganz rot. Es hatte die Augen auf. Eines sah sie an, das andere war zur Decke hin verdreht.
»Ist er ganz gesund?«
Morwenna lachte leise. »Keine Sorge. Das ist bei Neugeborenen oft so. Es kann ein paar Tage dauern. Sie müssen erst lernen, mit beiden Augen in dieselbe Richtung zu blicken.« Sie sah zu Erek. »Er sieht dir ähnlich, König. Ich hoffe, er wird ein wenig hübscher als du.«
Erek lachte auf. Und Gishild hörte deutlich die tiefe Erleichterung in seinem Lachen. Endlich war es vorbei! Sie sah ihren Sohn an. Er hatte tatsächlich etwas von Erek. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie konnte es einfach nicht verhindern. Sie sollte nicht enttäuscht sein! Die ganze Schwangerschaft über hatte sie sich eingeredet, dass es Lucs Kind war, das in ihrem Bauch heranwuchs. Sie hatte an die Zeit in der Höhle am Wolkenspiegelsee gedacht. Sie war sich so sicher gewesen, dass das Kind in diesen Tagen gezeugt worden war!
»Du musst nicht mehr weinen«, sagte Erek mit warmer
Stimme. »Es ist geschafft. Alles ist gut. Und du hast dich tapfer geschlagen. Wie in jeder Schlacht!«
Sie sah ihn durch den Schleier der Tränen hinweg an. Und sie schämte sich. Er ahnte nicht einmal, warum sie weinte. Oder war er so ritterlich, es einfach zu überspielen? Er hatte sie immer wieder überrascht. Er war ein guter Mann.
»Darf ich meinen Enkel auch einmal sehen?« Roxanne setzte sich neben sie aufs Bett. Ihre Mutter war alt geworden in den letzten Monden. Ihr schwarzes Haar war von etlichen weißen Strähnen durchzogen. Sie nahm ihr den Jungen aus dem Arm und drückte ihn an sich.
»Wir sollten ihn Snorri nennen, wie deinen Bruder. Snorri Erekson. Das ist
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