Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
gemalt. Da waren die Bluteiche und der Löwe. Und darüber der Kopf eines Einhorns. Als er den Wappenschild des Ritters zum ersten Mal gesehen hatte, war er empört gewesen. Wie konnte ein solches Ungeheuer sich das Einhorn zum Wappen wählen, das Symbol für Reinheit und edlen Geist? Doch je mehr er über Honoré erfuhr, desto besser hatte er sich in seinen verdrehten Geist hineinversetzen können. Dieses Wappen passte, wenn man es mit Hintergedanken betrachtete. Nur der Kopf des Einhorns war auf dem Schild abgebildet. Er hatte das edle Tier also enthauptet. Das war Honoré! Nur so konnte es gemeint gewesen sein.
Fingayn hatte ein Brecheisen geholt, um in den Sarg zu sehen. Er traute Honoré jeden Betrug zu. Und er wollte ganz sicher sein. Der Ritter lag erst seit drei Tagen im Sarg. Es hieß, er sei unglücklich gestürzt und habe sich auf einer Treppe das Genick gebrochen. Der Maurawan traute diesem Gerücht nicht. Das passte einfach nicht zu Honoré. Er hatte mit einem Diener gesprochen, der im Haus, das der Heptarch Gilles bewohnt hatte, in der Küche arbeitete. Der Mann schwor Stein und Bein, Honoré seit Wochen nicht mehr gesehen zu haben. Und er hatte hinter vorgehaltener Hand geflüstert, dass es wohl einen schweren Streit zwischen dem Primarchen und dem Heptarchen gegeben hatte. Honoré war einen Tag, bevor Gilles den Festungshafen verließ, verstorben.
Dass man ihn nicht in einen Bleisarg gelegt hatte, um ihn
nach Valloncour zu schicken, mochte zweierlei bedeuten. Entweder ruhte der falsche Mann in diesem Sarg, oder der Primarch war im Ansehen seiner Ritterbrüder so tief gesunken, dass sie ihm diese letzte Ehre verweigerten.
Fingayn stemmte sich mit aller Kraft gegen das Eisen. Leise knirschend öffnete sich der Sarg. Übler Gestank machte sich in der Gruft breit. Der Elf hob seine Laterne, um genauer zu betrachten, was dort lag. Dieser Mann war eindeutig seit mehr als drei Tagen tot!
Der Maurawan hielt den Atem an. Der billige Steinsarg war nicht luftdicht gewesen. Widerliches Gewürm tummelte sich auf dem Körper. Das Antlitz des Toten war unkenntlich. Aber Farbe und Länge des Haars stimmten mit dem überein, was er über Honoré wusste. Die rechte Hand war abgetrennt, der Stumpf seit vielen Monden verheilt.
Die Körpergröße und die allgemeinen Proportionen entsprachen ebenfalls dem Primarchen. Allerdings war der Mann, der dort lag, sehr ausgemergelt. Seine Kleider waren schmutzig. Er trug keine Rüstung, nur die Brustplatte mit dem zynischen Wappen hatte man ihm mitgegeben.
Fingayn hob die Platte des Kürass ab und zerriss die fadenscheinigen Kleider. Was er sah, erschütterte ihn zutiefst. Er wandte sich ab. Rang nach Atem. Deshalb war ihm der Leichnam so dünn erschienen! Der Mann war schwer gefoltert worden. Wie es schien, hatte man ihm bei lebendigem Leib große Stücke aus dem Körper geschnitten und die Wunden so weit versorgt, dass kein schneller Tod eintreten konnte. Beide Waden fehlten. Auch andere Teile … Das musste auf Befehl des Heptarchen geschehen sein. Sie waren Ungeheuer, alle miteinander, diese Kirchenfürsten. Einer schlimmer als der andere!
Fingayn nahm den vorletzten Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn neben den Leichnam. Er sehnte sich danach, endlich
wieder in die Wälder am Albenhaupt zurückzukehren und der Welt der Menschen für immer den Rücken zu kehren. Nur ein letzter Weg noch.
Er legte die Brustplatte zurück und verschloss den steinernen Sarg. Bald würde sein Werk vollbracht sein.
PAPIERKRIEG
Erek betrachtete verzweifelt den Berg von Papieren, die sich vor ihm auf dem Tisch türmten. In der Vergangenheit hatte er Gishild gern verspottet, weil sie diesen Teil erledigt hatte. Ihr war es recht gewesen, weil sie damit einen Grund hatte, ihre Gemächer nicht zu verlassen.
Seit ihrer Rückkehr aus Aldarvik ging sie ihm aus dem Weg, wo immer sie es vermochte. Nicht ein Mal hatte er in den Monden, die seitdem vergangen waren, bei ihr gelegen. Immerhin hatte sich ihr Ritter in all der Zeit auch nicht mehr blicken lassen. Er stahl sich die Herzen der Fjordländer zusammen mit seinen Heldentaten.
Erek schob die Papiere zur Seite. Wenn ihm erst einmal ein Erbe geboren wurde, dann würde sich alles ändern, dachte er. Auch Gishild würde dann sicher anders mit ihm umgehen.
Doch so, wie er die Stunde der Geburt herbeisehnte, so fürchtete er sie auch zugleich. Würde er das Antlitz des Ritters in den Zügen des Kindes wiedererkennen? Was war dann zu tun? Gewiss
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