Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Ollowain wusste nicht, ob er ihr die Tage geben konnte, die sie brauchte.
Orgrim erschien vor der Tür. Er machte erst gar nicht den Versuch, sich durch die viel zu kleine Öffnung zu quetschen. »Ich habe schlechte Nachrichten, Schwertmeister.«
Ollowain musste unwillkürlich lachen. Wie hatte er darauf hoffen können, wenigstens für ein paar Stunden Frieden zu finden?
»Was ist daran so komisch?«, fragte der Troll mit einer Stimme, die an aneinanderreibende Gesteinsbrocken erinnerte.
»Nichts, nichts! Sag schon, was ist passiert? Sind sie durchgebrochen? Ist die Shalyn Falah gefallen?«
»Nein, davon weiß ich nichts. Es geht um Gishilds Untertanen. Ich habe es erst heute erfahren! Wir haben eine sehr abgelegene Gegend für sie ausgesucht. Und in Firnstayn haben uns ja wochenlang keine Nachrichten erreicht …«
»Was?« Ollowain war zu müde, um aufbrausend zu werden, obwohl ihn die Art des Trolls aufs Blut reizte.
»Ihre Untertanen sind nie in der Snaiwamark angekommen. Sie sind auf den Albenpfaden verschwunden.«
Der Schwertmeister richtete sich auf. »Was heißt verschwunden ? Sind sie …«
»Wahrscheinlich haben sie einen Zeitsprung gemacht. Es war nicht klug, einen niederen Albenstern für diesen Zauber zu nutzen. Niemand kann sagen, wann sie die Snaiwamark erreichen werden. Vielleicht schon in einer Stunde. Oder in einer Woche. Vielleicht auch erst in hundert Jahren. Und noch etwas. Emerelle hat einen neuen Fürsten für Alvemer bestellt. Wir werden nicht einfach Gebiete des Elfenfürstentums abtrennen können, selbst wenn dort kaum jemand lebt. Der neue Fürst wird sich das nicht gefallen lassen.«
Ollowain stand auf und bedankte sich. Er musste zu Emerelle. Noch in dieser Nacht! Jetzt brauchte sie ihn so nötig wie nie. Er musste ihr ein Königreich für die Menschen abtrotzen. Es duldete keinen Aufschub. Vielleicht würde er schon morgen auf dem Schlachtfeld bleiben, und wer würde sich dann um Gishild und die ihren kümmern? Selbst wenn sie nur mit wenigen hundert Getreuen aus Firnstayn kam, mussten die Menschen einen Platz zum Leben haben. Ganz gleich, was für Prinzipien Emerelle hatte.
EIN OFFENES GRAB
Er war tatsächlich gekommen. Der Ahnherr stand vor ihr, und er redete und redete. Emerelle war am Morgen bei ihr gewesen und hatte ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben. Und sie hatte ihr ein Königreich versprochen. Und Jornowells Nachricht vom Tod von Luc und Erek überbracht. Emerelle hatte versucht, mitfühlend zu sein. Aber wer konnte schon verstehen, wie es war, seine Heimat und sein Volk zu verlieren? Nach all den Jahren verzweifelter Kämpfe doch nichts zu behalten als das nackte Leben.
Er sah stattlich aus, war von hohem Wuchs und wirkte erstaunlich jung. Dabei lebte er doch schon seit Jahrhunderten. Er hatte den verschollenen König Liodred mitgebracht – seine Leiche. Und jetzt redete er davon, wie er ihrem Volk neuen Mut machen wollte. Er wollte mit dem winzigen Häuflein Überlebender schon wieder in den Krieg ziehen.
»… dann möchte ich zu ihnen sprechen. Bitte steh an meiner Seite. Ich bin sicher, sie verehren dich noch immer, Gishild. «
Das war mehr, als sie ertragen konnte! »Ich werde nie mehr an irgendjemandes Seite stehen!« Sie schlug die Decke zurück, die über ihren Beinen lag. Und sie genoss das Entsetzen in seiner Miene. Sollte er nur sehen, was ihr einziger Gewinn aus den endlosen Kriegen war. Sie hielt die Augen fest auf sein Gesicht geheftet. Sie selbst konnte nicht mehr hinsehen. Die beiden rot entzündeten, mit schwarzem Pech beschmierten Stümpfe gehörten nicht zu ihr. Sie erinnerte sich, dass sie ohnmächtig geworden war, als Beorn sie gepackt hatte. Da hatte sie noch Füße gehabt. Es war dieser niederträchtige kleine Kobold gewesen, der sie abgeschnitten hatte. Sie
hatte ihn schon immer gefürchtet. Schon als Kind! Als sie erwachte, war sie in Albenmark. Und sie war ein Krüppel. Sie war nicht mehr die Frau, die sie sein wollte. Sie wünschte, sie wäre auf dem Marsch zur Nachtzinne gestorben, so wie all die anderen.
»Ich will keine Worte des Mitleids«, sagte sie kalt, ohne noch etwas zu fühlen. »Dies ist nichts! Auf dem Habichtpass ist mir mein kleiner Sohn in den Armen erfroren. Ich konnte ihm nicht genug Wärme geben …« Sie musste innehalten. Ihre Gefühle drohten sie zu überwältigen. Sie hatte ihre Hand auf Snorris Brust gelegt, um ihn zu wärmen, und ihm ihren Atem ins Gesicht geblasen. All das hatte nichts geholfen. Sie hatte
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