Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
spüren können, wie sein kleines Herz schwächer und schwächer geschlagen und dann ganz aufgehört hatte. »Ein Paar erfrorene Füße sind nichts gegen diesen Schmerz. Ich will in kein offenes Grab mehr blicken, Ahnherr. Ich selbst bin ein offenes Grab. Und damit bin ich ein Spiegel deines Volkes.«
Der Ahnherr sah sie fassungslos an. Der Held so vieler Sagas wich noch einen Schritt vor ihr zurück. Er stammelte etwas davon, dass die Elfen hätten helfen können. Sie antwortete und achtete dabei kaum auf ihre eigenen Worte. Widerstreitende Gefühle zerrissen sie. Was tat sie denn? War nicht genug Unglück geschehen? Musste sie noch den größten Helden ihres Volkes zerbrechen? Wenn er doch nur früher gekommen wäre! Er strahlte so viel Kraft und Zuversicht aus. So wie Luc es in den Tagen in Aldarvik getan hatte und danach, während ihrer kurzen Frist in Albenmark.
»Mit deiner Erlaubnis werde ich mich zurückziehen und das Begräbnis König Liodreds vorbereiten.«
Was für seltsam gestelzte Worte für einen wilden Krieger mit einer Axt. Die vielen Jahre mit den Elfen hatten ihn geformt. Als Kind hatte sie immer gern den Geschichten über
seine Abenteuer gelauscht, den erfundenen und den vielleicht wahrhaftigen. Und nun war er da, der Held. Und er könnte von all dem erzählen, wenn ihnen noch ein bisschen Zeit blieb. Sie durfte ihn so nicht ziehen lassen!
»Warte noch, Ahnherr! Knie neben mir nieder.« Er sollte hinausgehen und am Grab des Königs eine flammende Rede halten. Und er sollte sich die berühmte Rüstung des Alfadas nehmen, wenn sie ihm denn passte. Bevor er eingetreten war, hatte er am Eingang des Zeltes zu Beorn, ihrem Bannerträger, gesprochen. Und es war ihm gelungen, dem gebrochenen Mann neuen Mut zu machen. Wer weiß, was er noch alles vermochte? Er war Mandred Torgridson, eine lebende Legende. Sollte er das Banner des Fjordlands noch einmal auf die Schlachtfelder der Elfen führen? Ein Jahrtausend lang waren sie treue Verbündete gewesen. Sie sollten nicht in dieser Schlacht fehlen.
NUR EIN MÄRCHEN
Luc robbte ans Ufer. Er versuchte zu atmen und erbrach Wasser. Ängstlich sah er sich um. Sie waren fort. Endlich. Lange hatten die Ritter von der anderen Seite des Passes nach Überlebenden gesucht. Ob sie welche gefunden hatten, wusste er nicht. Und er wusste auch nicht, was ihn so sehr verändert hatte. Er hatte im Wasser atmen können! War er noch ein Mensch? Wann war er so verwandelt worden? Und warum hatte er nicht bemerkt, wie es geschah?
Frierend kauerte er sich in den Schnee. Was sollte er tun? Zurück ins warme Wasser gehen? Hier draußen würde die Kälte ihn töten. Seine Kleider und die Brustplatte hatte er tief am Grund des Sees abgestreift. Er vermochte nicht einzuschätzen, wie lange er dort unten geblieben war. Einen Tag? Länger? Er hatte sogar im Wasser geschlafen, nahe der Stelle, an der die warme Quelle durch den Grund des Sees brach.
Luc hatte Ereks Leiche gefunden, während er nach einer Stelle gesucht hatte, wo er ungesehen aus dem Wasser gelangen konnte. Erek hätte zu Gishild zurückkehren sollen. Er war ein guter Mann gewesen.
Luc keuchte. Es war zu kalt. Erschüttert blickte er über die zerwühlte Landschaft. Die Lawine hatte einen ganzen Waldstreifen vernichtet. Überall lagen große Felsbrocken im Schnee. Er wollte aufstehen und zum Wasser zurückgehen, aber seine Beine verweigerten ihm den Dienst. Sein linkes Schienbein war blau verfärbt und übel geschwollen. Er erinnerte sich, würgend hierhergekrochen zu sein. Offensichtlich war sein Bein gebrochen. Dann würde er eben zurückkriechen müssen.
Er beugte sich vor und sah aus dem Augenwinkel eine Gestalt. Luc verharrte mitten in der Bewegung. Jemand kauerte auf einem großen Felsklotz unweit des Ufers. Eine Gestalt ganz in Weiß. Eben war sie noch nicht dort gewesen!
Der Ritter duckte sich in den Schnee. Die Kälte war vergessen.
Zu spät. Der Mann hatte ihn gesehen. Er sprang vom Felsen und eilte leichtfüßig über das Lawinenfeld. Der Anblick ließ Luc aufatmen. So konnte sich nur ein Elf bewegen!
Der Krieger blieb dicht vor ihm stehen. Er wirkte kalt und abweisend. Wahrscheinlich ein Maurawan, dachte Luc.
»Ich kenne dich. Du bist der Elfenritter.« Er hatte einen starken
Akzent. Luc konnte sich nicht erinnern, dem Krieger jemals begegnet zu sein.
»Warum kann ich im Wasser atmen?« Ihm war klar, dass die Frage töricht war. Woher sollte der Maurawan das wissen?
»Vielleicht hat dich eine Apsara
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