Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
viel zu kurz. Er fluchte. Warum tat niemand von den anderen etwas? Und wenn sie hundertmal eine verdammte Königin war! Sie wusste nicht mehr, was sie tat!
Jetzt machte sie eine Rast. Endlich! Seit Stunden hatte sie
sich nicht niedergelassen. Ihr taumelnder, haltloser Gang war Zeichen genug. Das war nicht nur Erschöpfung! Warum unternahmen die anderen denn nichts? Wollten sie einfach zusehen, wie sie starb?
Brandax blickte zum Horizont. Eine Stunde Tageslicht blieb noch, eher etwas weniger. Im Dunkeln würde er es nicht tun können.
Er verfluchte die Götter der Menschenkinder. Warum hatten sie ihnen das antun müssen? Warum war der Hagel gekommen? Und danach die eisige Nacht mit dem Schneesturm? Keines der ganz kleinen Kinder hatte diese Nacht überlebt. Die Kälte hatte ihr Lebenslicht aufgesogen. Ebenso war es mit den Alten und Kranken. Am nächsten Morgen hatte sich ein Drittel der Flüchtlinge nicht aus dem Schnee erhoben. Seitdem war keine Stunde vergangen, in der nicht mindestens einer erschöpft zusammengebrochen war. Die Lebenden hatten keine Kraft mehr zu helfen. Was hätten sie auch tun sollen? Die Sterbenden tragen? Die meisten konnten sich selbst kaum auf den Beinen halten. Sie hatten nicht einmal mehr die Kraft für Tränen. Sie gingen einfach weiter, den Blick stier vorausgerichtet.
Brandax kletterte auf den Felsblock, auf dem sich die Königin niedergelassen hatte. Er blickte über ihre Schulter hinweg ins Gesicht des kleinen Snorri. Seine Lippen waren dunkelblau, fast schwarz, das Gesicht unheimlich bleich. Pulverfeiner Schnee fiel vom Himmel. Er sammelte sich in den weit offenen Augen und im Spalt zwischen den Lippen. Manchmal beugte Gishild sich vor und blies zärtlich den Schnee fort.
Das zu sehen, brach ihm das Herz. Drei Tage trug sie nun schon das tote Kind auf den Armen. Warum tat denn niemand etwas? Waren alle verrückt geworden? Es war an ihm, Entscheidungen zu treffen.
Er blickte in ihre fiebrigen Augen. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Die Anzeichen waren deutlich! Aber er brauchte noch einen letzten Beweis.
Brandax kletterte wieder vom Felsen hinab. Die Königin beachtete ihn gar nicht. Er stellte sich neben sie, so dass niemand sehen konnte, was er tat. Er wünschte so sehr, dass er sich irrte.
Der Kobold betrachtete die gezackte Klinge. Wenn er sich irrte, dann würde ihn das wohl den Hals kosten. Und doch hoffte er, dass es so kam. Er stieß die Klinge hinab in ihren Fuß. Sie gab keinen Laut von sich. Zuckte nicht einmal. Sie spürte es nicht mehr.
Er zog das Messer heraus und ging zu Beorn. Der Bannerträger der Königin war ein Hüne von einem Mann. Einer von den ganz wenigen, die sich noch gut auf den Beinen hielten.
»Du bist ihr Leibwächter, nicht wahr?«
Beorn bedachte ihn mit einem bösen Blick. Seine Augen waren blutunterlaufen. »Ich nehme ihr das Kind nicht weg! Egal, was du mir sagst.«
»Oh, wir werden ihr noch viel mehr abnehmen.« Er sagte dem Mann, was er befürchtete, und dieser Riese fing an zu weinen.
»Das kann nicht sein!«, schluchzte er. »Das kann ich nicht tun!«
»Du bist ihr Leibwächter, verflucht! Dann wache auch über ihren Leib. Wenn du mir nicht hilfst, dann wird sie nicht lebend am Albenstern ankommen. Sieh sie dir an! Sie hat Fieber. Die toten Füße vergiften ihren Körper.«
»Ich kann das nicht«, stammelte der Krieger.
»Du opferst sie also deiner Schwäche. Einen Leibwächter wie dich kann man sich nur wünschen!«
»Aber ich kann doch nicht …«
»Gut, du hältst sie fest. Und halt sie verdammt noch mal gut fest! Ich schneide ihr die Stiefel herunter und sehe mir ihre Füße und Beine an. Und wenn es nötig ist, dann kümmere ich mich um die Füße. Aber du wirst sie vergraben müssen, zusammen mit dem toten Kind. Ich werde dir nicht alles abnehmen! Und jetzt komm mit.«
DIE VERLORENEN
Ollowain ließ sich auf das schmale Feldbett sinken. Er war zu Tode erschöpft. Den ganzen Tag hatte er auf dem Schlachtfeld verbracht. Erst kurz vor der Dämmerung war es ihnen gelungen, die Ordensritter zurückzudrängen. Aber sie waren keineswegs geschlagen. Wahrscheinlich waren sie schon jetzt dabei, ihre Truppen neu zu ordnen. Sie waren einfach übermächtig. Und Albenmark blutete aus. Für ihre Verluste gab es keinen Ersatz mehr. Emerelle hatte ihm versprochen, dass er nur ein paar Tage durchhalten müsste. Sie sammelte die mächtigsten Zauberkundigen um sich. Selbst Skanga, die Schamanin der Trolle, hatte sie um Hilfe gebeten.
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