Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
derselbe Traum, der ihn quälte. Er wurde unter Wasser gezogen. Etwas hielt ihn fest. Er wollte zur Oberfläche zurück, kam aber nicht frei. Und schließlich war er gezwungen, tief im Wasser einzuatmen. In diesem Moment erwachte er jedes Mal aus dem Albtraum.
Luc konnte die Luft nicht mehr länger in seinen Lungen halten. Mit einem tiefen Seufzer ergab er sich. Es war köstlich zu atmen. Jetzt erschienen ihm die Gerüche überdeutlich. Feuchtes Leinen, Steinstaub, ein leichter, unangenehm süßlicher Duft. Da war noch etwas. Ein vertrauter Geruch … Bedrohlich. Waffenfett!
Der Ritter spürte sein Herz schneller schlagen. War er in Gefahr? Er setzte sich im Bett auf. Nicht der leichteste Lichtschimmer drang durch seinen Verband. Er drehte den Kopf. Nichts. Wer war da? Was sollte er tun? War er in Gefahr? Die Königin hatte ihm das Leben geschenkt. Sie würde wohl kaum noch einmal seinen Tod befehlen. Allerdings … Wer wusste schon, was in den Köpfen von Elfen vor sich ging? Und in der Stadt musste es Tausende geben, die ihn hassten. Die jeden Menschen hassten. Luc dachte an Emerelles
Worte. Er hatte nicht gewusst, welchem Zweck die beiden großen Schiffe dienten. Er hatte es nicht einmal geahnt. Und würde er den Orden führen, er würde niemals einen solch schändlichen Angriff befehlen. Aber was nutzte dieses Brüten? Es war geschehen. Und er war dabei gewesen! Er könnte es verstehen, wenn ein Vater, der Frau und Kinder verloren hatte, sich heimlich in diese Kammer schlich, um ihm die Kehle durchzuschneiden. Oder einer der Verstümmelten. Jeder in dieser Stadt hatte Grund genug, sich an ihm zu rächen.
Luc dachte an den Jubel, als er ins Hafenbecken geworfen worden war. Was Emerelle getan hatte, war niederträchtig gewesen. Ein Spektakel für ihr Volk. Aber den Jubel der Männer, Frauen und Kinder an den Kais konnte er verstehen. Er selbst hatte sich oft nächtelang seinen Rachefantasien ergeben, nachdem die Elfen Gishild entführt hatten.
Ermattet legte er sich auf sein Kissen zurück. Wie sollte ein Ritter jetzt handeln? Mit verbundenen Augen konnte er weder kämpfen noch fliehen. Sollte er einfach warten? Nein! Er wollte sein Schicksal selbst bestimmen.
»Es tut mir leid, was geschehen ist«, sagte er schließlich. »Ich hatte keinen Einfluss auf die Taten meines Ordens. Ich weiß, das macht es nicht besser. Ich bitte nicht um mein Leben. Tu, was immer du tun musst. Ich erwarte dein Urteil.«
Eine Stimme sprach. War es Mann oder Frau? Er verstand kein Wort. Dann herrschte wieder Stille. Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Das Schnarchen war verstummt. Doch noch immer wurden Steine geklopft. Luc wusste nicht, was er noch sagen sollte. Er spannte sich. Hielt sein Henker die Klinge schon über seine Kehle?
Endlich bekam er Antwort. Von einer anderen Stimme. Sie klang zart und verletzt. Wieder verstand Luc kein einziges Wort.
»Myrielle sagt, dass sie dir verzeiht.« Das war die erste Stimme.
Luc schluckte. Er stellte sich ein Kind vor, dem ein Arm fehlte. Eine kleine Gestalt. Ein Kind, dem der Ritterorden, dem Luc die Treue geschworen hatte, alles genommen hatte. Er biss sich auf die Unterlippe. Ein Kind, wie er es einmal gewesen war, vor langen Jahren, als die Pest, die er nicht beim Namen zu nennen gewagt hatte, ihm alles genommen hatte.
Tränen stiegen ihm in die Augen und durchtränkten den Verband.
Wieder war da die verletzte Stimme. Leise und fremd. Sie klang besorgt.
»Myrielle fragt, ob du schlimme Schmerzen hast.«
Die Gefühle übermannten Luc. Er schluchzte. Unfähig, etwas zu sagen, schüttelte er den Kopf.
Etwas berührte seine Hand. Er spürte kleine, kräftige Finger.
»Es tut … mir leid«, stieß Luc abgehackt hervor. Er versuchte seine Gefühle niederzukämpfen. Das Schluchzen in seiner Kehle zu ersticken. Er zitterte. Dann griff er nach dem Verband an seinem Kopf. Er wollte das Kind sehen. Das Elfenmädchen, dem die Neue Ritterschaft das Leben zerstört hatte und das ihm dennoch verzeihen wollte.
»Das solltest du nicht tun!«
Luc ignorierte die Stimme. Er riss den Verband ab und stöhnte auf. Es war ein Gefühl, als senkten sich Dolche in seine Augen. Die Kammer war durchdrungen von Bahnen aus gleißendem Licht. Er hörte eine Bewegung. Das Mädchen schien zurückgewichen zu sein. Jedenfalls hatte es seine Hand losgelassen.
Der Ritter schloss die Lider und presste Daumen und Zeigefinger seiner Linken auf die schmerzenden Augen.
»Du kannst blind werden durch diesen Unsinn.
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