Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
blieb.
»Gandas Buch ist wie alle Koboldgeschichten eine Mischung aus Wahrheit und tolldreisten Lügen. Das alles ist sehr lange her. Sie lebte zu Zeiten des heiligen Jules. Und er war es auch, der ihr die Hand abhackte. Oder besser gesagt, es war der, der sich hinter Jules verbarg. Aber ich schweife ab. Durch ihr Buch ist Breitnase so berühmt geworden, dass Verstümmelte aus allen Winkeln Albenmarks zu ihm kamen. Lamassu und Minotauren, Kobolde aller Art ebenso wie Faune, Apsaras und sogar einer der letzten Schlangenmagier suchten ihn auf. Und Breitnase war zu freundlich, um jemandem seine Bitte abzuschlagen. Ich sagte dir ja schon, wie klein Mauslinge sind … Er ist vergangen. Er hat sich einfach aufgelöst. Er ist nicht fortgelaufen. Es heißt, er sei eins geworden mit dem Ort, an dem er arbeitete, einer Lichtung in einem Eichenwald nahe Yaldemee.«
»Aber wie kann sie sich denn bei diesem Ende falsche Hoffnungen machen?«, wandte Luc ein.
»Das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Jetzt kommt der Märchenteil. Seit Breitnase tot ist, sollen sich auf der Lichtung, mit der er eins wurde, Wunder ereignen. Manchmal, wenn man zur rechten Zeit kommt und ein reines Herz hat, so heißt es, wirken die Kräfte Breitnases nach. Sehr selten findet jemand, der die Nacht auf der Lichtung verbringt, seine Verstümmelung am nächsten Morgen geheilt. Über Jahrhunderte sind Tausende dorthin gezogen. Ich kenne niemanden, der nach Breitnases Verschwinden wirklich geheilt wurde. Inzwischen gehen immer weniger dorthin. Doch das Märchen von der verzauberten Lichtung lebt fort. Es weckt Träume, die
nur in bitterer Enttäuschung enden können. Deshalb wollte ich Myrielle diese Geschichte nicht erzählen.«
Luc lehnte sich zurück und schloss die brennenden Augen. »Vielleicht hast du recht«, sagte er zögerlich. »Ich hätte mich nicht einmischen sollen.«
»Was, sagtest du auch, sei dein Fehler? Du trägst dein Herz auf der Zunge. Jetzt, da ich dich ein bisschen besser kenne, werde ich dir deine Worte nicht nachtragen. Myrielle ist eingeschlafen. Unser langes Geschwätz war wohl ermüdend. Du solltest auch ruhen, Luc. Ich mache mir Sorgen um deine Augen. Du hättest den Verband noch nicht abnehmen sollen.«
»Es war doch nur eine Kerze«, murmelte Luc müde.
»Für dich ist ihr Licht stark wie die Mittagssonne. Du hättest besser auf Emerelle gehört.«
DER BEWEIS
Fernando schwitzte stark. Er kämpfte verzweifelt gegen seine Übelkeit an. Der Gestank nach verbranntem Fleisch war zu viel für seinen Magen. Er war nur Schreiber, kein Krieger und erst recht kein Folterknecht. Er war nicht dazu geschaffen, so etwas auszuhalten.
Tarquinon griff in Miguels Haar und zog ihn daran empor. Lippen und Brust des Bruders waren mit geronnenem Blut bedeckt. Die Augen waren so verdreht, dass fast nur noch das Weiße zu sehen war. »Verreck mir nicht, du Bastard!«, sagte der Großmeister ärgerlich.
Miguel war auf einen Stuhl geschnallt worden. Neben ihm auf einem kleinen Tisch lagen stahlfunkelnde Foltergeräte, Zangen, Sägen und gebogene Messer. Kein Tropfen Blut hatte sie benetzt.
»Die Kugel eines Knochenklopfers hat seine Brustplatte gestreift und eingedrückt. Seine Rippen sind wie Reisig zerbrochen und haben seine Lungen durchbohrt. Sein Leben liegt in Tjureds Hand. Leider ist er nicht in der Verfassung, uns etwas zu sagen.« Der Großmeister deutete zu einem Priester, der vor seine grauweiße Kutte eine Lederschürze gebunden hatte. »Habe ich dir schon Bruder Mathias vorgestellt?«
»Nein.« Fernando rieb sich die schweißnassen Hände an der Reithose ab.
»Er gehört zu den Fragenden. Warst du schon einmal zugegen, wenn sie ein Gespräch führen? Sie sind sehr überzeugend. «
Der Schreiber musterte den Priester. Bruder Mathias war nicht sonderlich groß. Lange, schlanke Hände ragten aus den weiten Ärmeln seiner Kutte. Deutlich malten sich Sehnen und Adern unter der Haut ab. Der Priester hatte volle Lippen. Seine tief liegenden grauen Augen blickten freundlich. Doch in den Mundwinkeln hatten sich tiefe Falten eingenistet. Fernando schätzte den Priester auf weniger als dreißig Jahre.
»Mathias hat das Gespräch mit den beiden Fragenden geführt, die auf Honorés Liste der Verschwörer standen. Einer von beiden war sein geliebter Lehrer. Bruder Mathias gilt als Meister darin, eine subtil fordernde Unterhaltung zu führen. Er erfährt immer, was er wissen will. Doch von seinen beiden Ordensbrüdern vermochte er
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