Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Wem ist
damit geholfen? Du kannst von Glück sagen, dass es Nacht ist.«
»Nacht?« Vorsichtig öffnete Luc ein Auge, nur einen winzigen Spalt weit. Ein Stück voraus brach ein breiter Lichtspalt ins Dunkel. Seitlich leuchtete eine große Kugel. Und da war eine Gestalt, nur eine Armeslänge entfernt. Schmal, die Proportionen stimmten nicht. Die schemenhafte Gestalt wirkte asymmetrisch. Das also war Myrielle. Er schloss das Auge. Wieder wallten die Gefühle in ihm auf. Er wollte so vieles sagen und fand doch keine Worte.
»Danke.« Das war alles, was er über die Lippen brachte.
Die ältere Stimme übersetzte. Luc hatte das Gefühl, sie zu kennen. Aber es gab nur einen aus dem Volk der Elfen, der außer Emerelle je zu ihm gesprochen hatte. Jener Anführer der Ritter, die gekommen waren, um Gishild aus Valloncour zu rauben. Der Krieger, den er damals zum Duell gefordert und der ihm das Leben geschenkt hatte.
Das Mädchen begann wieder zu sprechen. Diesmal war es anders. Es war, als sei ein Damm in ihr gebrochen. Luc verstand keines der Worte, aber das war auch nicht nötig. Allein der Klang der Stimme verriet die Verzweiflung. Die Seelenqual. Sie hatte eine Frage gestellt.
Der Elfenritter ließ sich Zeit. Als er endlich sprach, klang seine Stimme belegt. »Myrielle hat gefragt, warum ihr Menschenkinder sie so sehr hasst, dass ihr kamt und ihre Eltern getötet habt.«
Luc war sprachlos. Er dachte daran zu sagen, dass es darauf keine Antwort gab, die ein Kind verstehen könnte. Aber das wäre grausam. Sie hatte ein Recht auf Aufrichtigkeit. »Vor langer Zeit sind Elfen in mein Land gekommen, und sie haben einen Mann getötet, der meinem Gott besonders nahe war und der sehr wichtig für mein Volk war. Damit hat der Krieg begonnen. Vor vielen hundert Jahren war das.«
»Meinst du den heiligen Guillaume?«, fragte der Elfenkrieger barsch. »Es waren Menschen, die Ritter des Königs Cabezan, die ihn töteten. Ich war damals dort. Ich wollte ihn holen. Meine Krieger haben geblutet, um ihn zu beschützen. Meine Gefährten Nomja und Gelvuun ließen ihr Leben. Nichts ist so, wie ihr Menschen es erzählt. Deine Kirche ist auf Lügen begründet.«
Luc wollte auf diese dreisten Lügen antworten, doch dann riss er sich zusammen. Sich vor dem verzweifelten Kind über Glaubensfragen zu streiten, war zu erbärmlich. Er begriff nicht, wie der Elfenritter sich derart hatte gehen lassen können! Blinzelnd blickte er zu Myrielle. Noch immer war sie nicht mehr als ein verschwommener Schemen für ihn. Ihr Gesicht eine ovale Fläche mit zwei dunklen Abgründen. Sie sah ihn an, und er begriff, wie armselig seine Erklärung gewesen war. »Der Krieg ist sehr alt. Beide Seiten haben einander schreckliche Wunden geschlagen in den Jahrhunderten. «
Der Elfenritter übersetzte. Luc glaubte noch immer einen Nachklang von Zorn in dessen Stimme zu hören. »Ihre Eltern hätten diese Welt niemals verlassen, sagt sie. Sie haben nie einem Menschen etwas zu Leide getan.«
Luc überlegte. Er könnte sagen, dass große Kriege auf solche Kleinigkeiten keine Rücksicht nahmen. Das wäre nur wahr. Und grausam. Er durfte sie doch nicht noch mehr verletzen! Von ganzem Herzen wünschte er sich, ihr Frieden zu geben. Aber er wollte sie auch nicht belügen. »Vor drei Jahren haben Elfenkrieger meine Schule überfallen. Sie haben Kinder und Lehrer getötet. Ich wollte an diesem Tag meine Freundin heiraten. Sie haben sie mit sich fortgenommen. Seitdem habe ich sie nicht wiedergesehen. Seit damals sann mein Ritterorden auf Rache. Dass wir hierherkamen, hatte nur einen Grund. Wir wollten Rache.«
Das Mädchen hörte der Übersetzung zu und antwortete sofort. Ihre Stimme war aufgebracht und verzweifelt. »Aber ihr seid doch auch Ritter! Wie könnt ihr Unrecht mit Unrecht vergelten? Kannst du den Schmerz über deine verlorene Freundin vergessen, wenn du mich leiden siehst? Die Ritter Albenmarks schützen die Schwachen. Was für Ritter seid ihr?«
Lucs Augen tränten. Er versuchte sie anzusehen, doch Myrielle war ein Stück von seinem Lager zurückgewichen. Sie stand jetzt vor der großen Kugel aus gleißendem Licht. War es eine Kerze, die ihn so sehr blendete? Ihm wurde bewusst, dass er sich in Nebensächlichkeiten flüchtete, um der Antwort zu entgehen. Wenn er wirklich ein Ritter sein wollte, dann musste er sich stellen.
Luc wünschte sich, er könnte den Elfen sehen, doch er war unsichtbar zwischen Licht und Dunkel. Nur eine Stimme.
»Ich … wir …«
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