Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
niedergelegt hätte. Und das Allerletzte, was er in seinem Leben getan hätte, wäre, Listen von Verschwörern aus der Hand zu geben, ohne sich ganz sicher sein zu können, wo sie landen. Und dann noch sein Siegel darauf zu setzen.« Gilles schnalzte mit der Zunge, als habe er gerade eine Delikatesse darauf zergehen lassen. »So würden irgendwelche Stümper vorgehen oder jemand, der will, dass seine Verschwörung auffliegt und er auf dem Richtplatz landet.«
Der Heptarch tat einen Seufzer. »Bruder Honoré ist gewiss niemand, der sich darüber Gedanken gemacht hat, wie er auf möglichst spektakuläre Weise aus dem Leben scheiden könnte. Sieh ihn dir nur an! Selbst jetzt, da er nicht mehr reden kann und seine beiden Hände zerstört sind, kämpft er noch um sein Leben. Ein paar Tage noch, und er würde sicherlich mit dem dicken Zeh Buchstaben in Sand malen. Wenn man ein bisschen Geduld mit ihm hätte, könnte er sich gewiss noch mitteilen.«
Gilles ließ den Blick durch die enge Kammer schweifen. »Darum geht es doch hier unten.« Er sah jetzt Bruder Mathias an. »Es sollen Dinge herausgefunden werden, die der Kirche von Nutzen sind. Was mich angeht, so habe ich Bruder Honoré immer für einen sehr nützlichen Diener Tjureds gehalten. Gewiss hatte er einen Ehrgeiz, dem man auf kurz oder lang hätte Grenzen setzen müssen. Aber er hätte sicherlich noch eine große Zukunft gehabt. Zumal die Neue Ritterschaft durch ihren Überfall auf Albenmark unglaublich reich geworden ist. Du weißt so gut wie ich, dass unbegrenzte Geldmittel schon seit langem in unserer Kirche der sicherste Rückhalt sind, wenn man hochgesteckte Ziele erreichen will. Hast du einmal folgende Rechnung aufgemacht, Tarquinon? Zwölf Schatzkisten mit Elfengold. Das macht zwei Kisten für jeden Heptarchen. Außer dem einen, den man gerne abgewählt
sehen möchte. Glaubst du, unsere hohen Brüder im Rat der Heptarchen hätten dieser Versuchung widerstehen können? Vielleicht gar verbunden mit dem Versprechen, dass es noch weitere großzügige Spenden geben würde?«
Tarquinon blickte wieder zur Tür. Gilles sprach zu leise, als dass Leila ihn hätte hören können. Sie war wachsam, ließ sie beide nicht aus den Augen. Ein Wink ihres Soldherrn, und es würde Blut fließen. Bei den Tearagi war das Heidentum trotz aller Bekenntnisse zur Tjuredkirche noch tief verwurzelt. Sie würde sicherlich nicht zögern, einen Großmeister und Heptarchen zu töten, wenn sie den Befehl dazu erhielt. Vielleicht wäre es ihr sogar ein Vergnügen, den Großmeister des Ritterordens zu töten, der ihr Volk vor Jahrhunderten bekehrt hatte?
Honoré gab einen seltsamen Laut von sich. Seine Augen starrten mit unglaublicher Intensität, als wolle er die Worte, die seine Zunge nicht mehr zu formen vermochte, mit Blicken übermitteln.
»Bin ich der Wahrheit nahe gekommen? «, fragte Gilles gütig.
Honoré nickte. Wieder stieß er ein paar lallende Laute aus. Er hob die verstümmelten Hände. Die abgestorbenen, schwarzen Finger zeichneten etwas in die Luft.
Tarquinon hatte das Gefühl, als habe sich etwas Kaltes, Stacheliges in seinem Bauch eingenistet. Ihn schauderte. Die feinen Härchen auf seinen Handrücken hatten sich aufgerichtet. Jetzt kam also alles heraus. Er hätte besser zielen sollen, als er auf Honorés Kopf geschossen hatte. Er kannte ja die Geschichte, dass er schon einmal eine Schussverletzung überlebt hatte, die jeden anderen umgebracht hätte.
»Nun, Tarquinon, ich habe mich gefragt, wer den größten Nutzen davon hätte, dass Honoré stirbt. Und was wohl geschehen würde, wenn sein ganzer Ritterorden des Hochverrats
verdächtig wäre. Hast du mir vielleicht ein Angebot zu machen?«
Honoré versuchte sich aufzurichten. Jetzt stieß er unablässig schmatzende Laute aus. Er riss den Mund auf, als hoffe er, dass seine Worte dadurch verständlicher würden. Deutlich konnte man seine dunkel verfärbte Zunge sehen. Geifer rann aus der Wunde in seiner Wange, und der Gestank, der ihn umgab, schien an Intensität noch zuzunehmen.
Gilles wedelte ärgerlich mit dem Seidentüchlein, das er sich vor das Gesicht gehalten hatte. »Bitte, Bruder Honoré, habe den Anstand, auf anständige Weise zu verrecken, und behellige uns nicht mit deinen Ausdünstungen.«
Tarquinon traute seinen Ohren nicht. »Welches Angebot würde dich erfreuen, Bruder?«
Der alte Kirchenfürst schnaubte ärgerlich. »Komm, Tarquinon, lass uns nicht feilschen wie die Marktweiber. Das ziemt sich
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