Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
hatte. Und ihm war es nicht besser ergangen.
Grelle Mittagssonne brannte auf seinem Gesicht. Er blinzelte. In der Mitte des Hofs stand ein gewaltiger Baum, dessen Wurzeln wie dunkle Schlangen über das Pflaster krochen. Es roch nach warmem Stein und Pferdeschweiß. Myrielle war schon aufgesessen.
Er tastete nach dem Sattelhorn und zog sich hoch. Seine Augen tränten vom Licht.
»Geht es? «, fragte der Elfenritter.
Luc war ein wenig beunruhigt, aber er verbarg seine Sorgen hinter einem Lächeln, in das er all die wahrhaftige Freude legte, die er empfand, weil sie ihre Reise antraten.
Myrielle sagte etwas. Der Elfenritter lachte.
Er hatte ihn noch nie zuvor lachen gehört, dachte Luc. Wieder blinzelte er. Alles war wie hinter einem zarten Schleier. Er konnte nichts deutlich sehen, egal wie sehr er die Augen auch verdrehte.
Seine Finger ertasteten die Zügel. Das Leder schnitt ihm in die Haut. Warum waren seine Hände so zart geworden? Nein, nicht nachdenken! Keine Fragen! Dies war ein Tag der Freude. Und es tat unendlich gut, wieder in einem Sattel zu sitzen.
Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung. Ollowain zog ein Lastpferd am Zügel hinter sich her. Myrielle redete ohne
Unterlass auf den Elfen ein. Irgendwo weit über ihren Köpfen in einem der hundert Fenster, die wie Bienenwaben den Innenhof umlagerten, erklang trauriges Flötenspiel. Es war eine Melodie, die ihren Weg direkt ins Herz fand, bis es sich so wund anfühlte wie eine Hand, die zu lange das Schwert gehalten hatte.
Der weiße Ritter verschwand in einer dunklen Höhlung, die sich plötzlich vor ihnen auftat. Ein Tortunnel, der unter dem Palastturm hindurch in die Ruinenstadt führte. Wie Herzschlag hallte der Rhythmus der Hufe von den Mauern wider. Das Zwielicht im Tunnel war angenehm. Lucs Augen hörten auf zu tränen. Dann umfing sie wieder die gnadenlose Mittagsglut.
Der junge Ritter schloss die Lider und ließ die Zügel hängen. Er ergab sich seinen anderen Sinnen. Er genoss das Gefühl zu reiten, die starken Muskeln der Stute zu spüren. Jetzt, da er seine Augen dem Licht verweigerte, konnte er sich daran erfreuen. Die Sonne liebkoste sein Gesicht. Er spürte Schweiß über seine Stirn perlen. Ein leichter Wind kam von der See her. Er brachte den Geruch von Salz und Staub, von Brackwasser und fremder Blütenpracht, von Rauch und scharf gewürzten Fischspießen.
Luc tastete nach der Feldflasche, die an seinem Sattel hing. Er nahm einen tiefen Schluck. Das Wasser schmeckte süßer als in seiner Welt.
Dann ließ er sich treiben. Die Hände auf das Sattelhorn gestützt, lauschte er dem Gespräch zwischen Ollowain und Myrielle, ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Er ertappte sich dabei, die Melodie der Flöte vor sich hin zu summen, die sie auf dem Palasthof verabschiedet hatte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich unbeschwert und frei.
Der Hufschlag änderte sich, wurde dumpfer. Mit halb zugekniffenen
Augen sah er sich um. Die Welt war grau und weiß, der Boden ein durchbrochener Spiegel. Er blinzelte; es dauerte lange, bis er ein wenig klarer sah. Die Spiegel waren überflutete Felder, gerahmt von schmalen, grasbewachsenen Wegen. Was für eine eigentümliche Landschaft! Ein riesiges Wassermosaik.
Vereinzelt standen Ochsen mit armdicken Hörnern im Wasser.
Er schloss die Augen wieder und wiegte sich im Sattel. Lag es am Zauber dieser verwunschenen Welt, dass er nichts deutlich sah, oder hatte Ollowain recht behalten? Hatte er den Verband zu früh abgenommen? Er empfand keine Angst vor dieser Verletzung. Sie war ihm lästig, gewiss, und sie würde sein Ende als kämpfender Ritter bedeuten. Aber war seine Zeit als Ritter nicht ohnehin vorüber?
Das Geräusch des Hufschlags hatte sich erneut verändert. War er kurz eingenickt? Als sei der Himmel von Hunderten Blitzen zerfurcht, glitten Licht und Schatten über sein Gesicht. Bäume! Sie ritten durch einen Wald. Er wäre jetzt lieber im Wasser, dachte er flüchtig und wunderte sich dann über seine eigenen Gedanken. Er hatte Wälder immer gemocht. Warum war er sich selbst plötzlich fremd?
Es musste an seinen Augen liegen. Aber das würde schon noch besser werden!
»Wir sind angekommen«, sagte Ollowain plötzlich.
Luc sah sich um. Vor ihnen wucherte ein riesiger Busch, durchsetzt mit hellen Flecken. Rings herum standen große Bäume. Kobolde schienen in den Ästen zu hocken und sie zu beobachten. Sie gaben seltsame, kehlige Laute von sich. Ganz nah erklang ein Vogelruf,
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