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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und als dann jemand aus der Dunkelheit auftauchte, habe ich...«
    Seine Schultern fielen plötzlich zusammen, als er begriff, dass es unmöglich zu erklären war. Er blickte auf das Gewehr hinab, das er in der Hand hatte.
    »Ich wusste nicht, dass ich ihn umgebracht hatte«, sagte er leise, den Blick auf die Zündung gerichtet. »Ich habe noch nicht einmal sein Gesicht gesehen. Ich weiß bis heute nicht, wer es war - obwohl es jemand sein musste, den ich kannte; Snaketown war ein kleines Dorf, ich kannte alle ne rononkwe dort.« Warum, fragte er sich plötzlich, war es ihm nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen zu fragen, wer der Tote war? Die Antwort war simpel; er hatte nicht danach gefragt, weil er es nicht wissen wollte.
    » Ne rononkwe. « Sie wiederholte die Worte unsicher.
    »Die Männer... die Krieger. So nennen sie sich selbst, die Kahnyenʼkehaka.« Die Mohawkwörter lagen ihm seltsam fremd und vertraut zugleich auf der Zunge. Er konnte Argwohn in ihrem Gesicht sehen und wusste, dass es ungewohnt für sie war, die Sprache aus seinem Mund zu hören; nicht zurückhaltend, wie wenn man sich eines Wortes aus einer Fremdsprache bedient, sondern so, wie ihr Vater manchmal beiläufig Gälisch und Schottisch vermischte, wenn er in Gedanken nach dem erstbesten Wort aus einer der beiden Sprachen griff.
    Er starrte auf das Gewehr in seiner Hand hinunter, als hätte er eine solche Waffe noch nie gesehen. Er sah sie nicht an, spürte aber, wie sie wieder näher trat, zögernd, aber nicht abgestoßen.
    »Tut es... dir Leid?«
    »Nein«, sagte er augenblicklich und blickte zu ihr auf. »Ich meine... aye, es tut mir Leid, dass es passiert ist. Aber nicht, dass ich es getan habe, nein.« Er hatte geantwortet, ohne innezuhalten und seine Worte abzuwägen, und stellte überrascht - und erleichtert - fest, dass sie die Wahrheit waren. Er verspürte Bedauern, wie er gesagt hatte, aber was er an Schuldgefühlen empfand, hatte nichts mit dem Tod des Schattens zu tun, wer er auch immer gewesen war. Er war in Snaketown Sklave gewesen und hegte keine großen Sympathien für die Mohawk, wenn auch manche von ihnen ganz anständig waren. Er hatte nicht vorgehabt, jemanden zu töten, aber er hatte sich verteidigt. Unter denselben Umständen würde er dasselbe wieder tun.
    Und doch nagte sein Gewissen leise an ihm - die Erkenntnis, wie leicht er diesen Tod verdrängt hatte. Die Kahnyenʼkehaka sangen Lieder und erzählten sich Geschichten über ihre Toten und hielten ihr Andenken an den Feuern der Langhäuser lebendig, wo man sie noch Generationen später kannte
und sich ihrer Taten erinnerte. Genau wie es die Highlander taten. Plötzlich musste er an Jamie Fraser denken, wie er mit leuchtendem Gesicht am großen Feuer des gathering gestanden und seine Gefolgsleute beim Namen und ihrer Herkunft genannt hatte. Steh mir bei, Roger, der Sänger, Sohn des Jeremiah MacKenzie. Vielleicht fand Ian Murray die Mohawk ja gar nicht so fremd.
    Dennoch hatte er das obskure Gefühl, den unbekannten Toten nicht nur um sein Leben, sondern auch um seinen Namen gebracht zu haben, um ihn durch das Vergessen auszulöschen, so zu tun, als sei dieser Tod niemals geschehen, nur um sich selbst von dem Wissen um diesen Tod zu befreien. Und das, so fand er, war falsch.
    Ihr Gesicht war reglos, jedoch nicht erstarrt; ihr Blick ruhte mit einer Art Mitgefühl auf ihm. Dennoch wandte er den Blick ab, zurück zu dem Gewehr, dessen Lauf er umklammert hielt. Seine rußverschmierten Finger hatten fettige, schwarze Ovale auf dem Metall hinterlassen; sie streckte die Hand aus und nahm es ihm ab, um die Flecken an ihrem Hemdsaum abzuwischen.
    Er ließ es geschehen und sah ihr zu, während er sich die schmutzigen Finger an seiner Hose abrieb.
    »Es ist nur... wenn man schon jemanden umbringen muss, findest du nicht, dass es dann mit Absicht geschehen sollte? Dass man wissen sollte, was man tut?«
    Sie antwortete nicht, sondern spitzte ein wenig die Lippen, um sie dann wieder zu entspannen.
    »Wenn du hiermit jemanden erschießt, Roger, wird es Absicht sein«, sagte sie leise. Dann blickte sie mit durchdringenden blauen Augen zu ihm auf, und er sah, dass das, was er für Mitgefühl gehalten hatte, in Wirklichkeit stille Energie war, wie die Flammen auf einem ausgebrannten Holzscheit.
    »Und wenn du jemanden erschießt, Roger, dann möchte ich, dass du weißt, was du tust.«
     
    Zwei Dutzend Schüsse später konnte er die Holzstücke mindestens bei jedem sechsten Versuch

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