Das Flammende Kreuz
leichtes Lächeln auf den Lippen. Im ersten Moment hatte er das Gefühl, er hätte aufgehört zu atmen, obwohl sich seine Brust weiter hob und senkte.
Sie beendete den Augenblick, indem sie ihre Hände sinken ließ und sich umdrehte, um in der Truhe zu graben, in der sie ihr Leinen aufbewahrte.
»Weißt du, was genau er vorhat?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme aus den Tiefen der Truhe. »Hatte er das Kreuz schon da stehen, als ihr aufgebrochen seid?«
»Aye, das weiß ich.« Jemmy gab leise Prustgeräusche von sich wie eine Spielzeuglok, die sich einen Berg hinauf kämpft. Roger nahm ihn unter den Arm und balancierte seinen fetten, kleinen Bauch auf seiner Hand. »Es ist ein flammendes Kreuz. Weißt du, was das ist?«
Sie tauchte aus der Truhe auf, eine frische Bluse in der Hand, und machte ein leicht verstörtes Gesicht.
»Ein flammendes Kreuz? Du meinst, er hat vor, auf dem Hof ein Kreuz zu verhrennen ?«
»Na ja, nicht ganz, nein.« Er nahm mit der freien Hand das Bodhran von der Wand und schnippte versuchsweise mit dem Finger gegen das Trommelfell, um zu prüfen, ob es fest gespannt war. Dabei erklärte er kurz die Tradition des flammenden Kreuzes. »Das ist etwas ganz Seltenes«, sagte er abschließend und hielt die Gitarre außerhalb von Jemmys klammernder Reichweite. »Ich glaube nicht, dass es nach dem Aufstand in den Highlands je wieder gemacht wurde. Aber dein Vater hat mir erzählt, dass er es einmal erlebt hat - es ist etwas ganz Besonderes, dabei zu sein, wenn es hier erneut geschieht.«
Ganz rot vor historischer Begeisterung, fiel ihm gar nicht auf, dass Brianna sehr viel weniger Enthusiasmus an den Tag legte.
»Das mag ja sein«, sagte sie beklommen. »Ich weiß nicht... irgendwie ist es mir nicht geheuer.«
»Häh?« Roger sah sie überrascht an. »Wieso?«
Sie zuckte mit den Achseln und zog sich die zerknitterte Bluse über den Kopf.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht kommt es ja nur daher, dass ich schon brennende Kreuze gesehen habe - in den Abendnachrichten im Fernsehen. Du
weißt schon, der KKK - oder etwa nicht? Vielleicht bringen - brachten - die Nachrichten in Großbritannien so etwas ja nicht?«
»Der Ku Klux Klan?« Roger interessierte sich zwar weniger für bigotte Fanatiker als für den Anblick von Briannas blanken Brüsten, doch er gab sich Mühe, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. »Oh, aye, habe davon gehört. Was meinst du denn, woher sie die Idee haben?«
»Was? Du meinst-«
»Klar«, sagte er fröhlich. »Sie haben es von den Immigranten aus den Highlands - von denen sie ursprünglich abstammten. Darum haben sie es ja auch >Klan< genannt, aye? Und apropos«, fügte er interessiert hinzu. »Es könnte sein, dass dies hier - der heutige Abend - das Bindeglied ist. Der Anlass, der die Sitte aus der Alten Welt in die Neue bringt, meine ich. Wäre das nicht großartig?«
»Großartig«, wiederholte Brianna schwach. Sie hatte sich ein frisches Hemd angezogen und schlüpfte jetzt mit beklommenem Gesicht in ein sauberes, blaues Leinenkleid.
»Alles hat irgendwo seinen Anfang, Brianna«, sagte er, diesmal sanfter. »Meistens wissen wir gar nicht, wo oder wie; spielt es eine Rolle, wenn wir es diesmal wissen? Außerdem wird der Ku Klux Klan frühestens in hundert Jahren gegründet.« Er hievte Jemmy etwas höher und wippte ihn auf seiner Hüfte. »Das werden wir nicht mehr erleben, und nicht einmal unser Jemmy hier - vielleicht noch nicht einmal sein Sohn.«
»Toll«, sagte sie trocken, während sie ihr Leibchen anzog und nach den Schnüren griff. »Dann kann unser Ur enkel ja der Rädelsführer werden.«
Roger lachte.
»Aye, vielleicht. Aber heute Abend ist es dein Vater.«
24
Spiel mit dem Feuer
Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte. Etwas wie das Spektakel am groϐen Feuer des gatherings vielleicht. Die Vorbereitungen waren die gleichen, und sie umfassten große Mengen an Ess- und Trinkbarem. Ein großes Fass Bier und ein kleineres mit Whisky standen auf Planken am Rand des Hofes, und ein gigantisches Grillschwein drehte sich langsam an einem grünen Hickoryspieß über einem Kohlefeuer und entsandte Rauchwölkchen und ein köstliches Aroma in die kalte Abendluft. Die Frauen wechselten sich schon seit der Morgendämmerung mit der Beaufsichtigung des Barbecues ab - ein
geladenes Gewehr stets zur Hand, für den Fall, dass sich raublustige Bären oder Großkatzen durch den Duft angezogen fühlten.
Gefahr gebannt, dachte Roger. Bis auf mehrere Meilen würde
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