Das Flammende Kreuz
gemacht, und er wusste es. Hoffentlich war es das, was Fraser wollte.
Als Brianna mit seinem Bier und einem Teller voll Schweinefleisch, Reibekuchen aus Rübchen und Bratkartoffeln wieder auftauchte, war Jamie in den vom Feuer erleuchteten Kreis getreten und hatte Rogers Platz vor dem Kreuz eingenommen.
Hoch gewachsen und breitschultrig stand er da, in seinem besten, grauen Sonntagsrock, unter dem er einen weichen, blauen Kilt trug, das leuchtende Haar lose auf den Schultern, auf der einen Seite einen dünnen, geflochtenen Kriegerzopf, den eine einzelne Feder zierte. Das Feuer glitzerte auf dem Goldknauf seines Dolches und der Brosche, die das um seine Schultern geschlungene Plaid festhielt. Seine Miene wirkte zufrieden, aber sein Verhalten war ernst und konzentriert. Er zog eine gute Show ab, das musste Roger zugeben - und er wusste es auch.
Die Menge verstummte innerhalb von Sekunden, und hier und da brachte jemand seine dreisteren Nachbarn mit dem Ellbogen zum Schweigen.
»Ihr wisst alle genau, warum wir hier sind, aye?«, fragte er ohne Einleitung. Er hob die Hand, in der er die zerknitterte Order des Gouverneurs hielt, auf der das rote Siegel im Feuerschein wie eine rote Schmierspur zu sehen war. Es erscholl ein beifälliges Grummeln; die Menge war in guter Stimmung, Blut und Whisky strömten ungehemmt durch ihre Adern.
»Man ruft uns, unsere Pflicht zu tun, und wir kommen als Ehrenmänner, um der Sache des Gesetzes zu dienen - und dem Gouverneur.«
Roger sah, wie sich der alte Gerhard Mueller zur Seite beugte, um die Übersetzung zu hören, die ihm einer seiner Söhne ins Ohr murmelte. Er nickte beifällig und rief: »Ja! Lang lebe der Gouverneur!« Es erklang Gelächter, gefolgt von ähnlichen Ausrufen auf Englisch und Gälisch.
Jamie wartete lächelnd, bis der Lärm verstummte. Dann vollzog er eine langsame Wendung und nickte dabei einem Gesicht nach dem anderen zu, nahm die Anwesenheit jedes einzelnen Mannes zur Kenntnis. Dann wandte er sich zur Seite und wies mit erhobener Hand auf das Kreuz, das kahl und schwarz hinter ihm stand.
»Wenn sich ein Clanhäuptling in den schottischen Highlands zum Krieg rüstete«, sagte er in einem Tonfall, der sachlich, aber laut genug war, dass man ihn auf dem ganzen Hof hören konnte, »entzündete er das flammende Kreuz und schickte es als Zeichen durch das Land seines Clans. Es war ein Signal für die Männer seines Namens, zu ihren Waffen zu greifen und sich kampfbereit an den Sammelplatz zu begeben.«
Es kam Bewegung in die Menge, man stieß sich gegenseitig an, und es ertönten weitere Beifallsrufe, wenn auch gedämpfter. Ein paar Männer hatten dies schon einmal erlebt oder wussten zumindest, wovon er sprach. Die anderen hoben das Kinn und reckten die Hälse, die Münder vor Neugier halb geöffnet.
»Doch dies ist ein neues Land, und wir sind zwar Freunde -«, er lächelte Gerhard Mueller an, »ja, Freunde, Nachbarn, Landsmänner-«, ein Blick in Richtung der Lindsaybrüder, »-und bald auch Waffenbrüder, doch wir sind kein Clan. Man hat mir zwar den Befehl erteilt, doch ich bin nicht euer Häuptling.«
Natürlich bist du das , dachte Roger. Oder jedenfalls auf dem besten Weg
dazu . Er trank einen letzten, großen Schluck kaltes Bier und stellte seinen Becher und den Teller hin. Das Essen konnte noch etwas warten. Brianna hatte das Baby wieder genommen und sich das Bodhran unter den Arm geklemmt; er nahm es ihr ab, und sie lächelte ihm flüchtig zu, doch ihre Aufmerksamkeit war weitgehend auf ihren Vater gerichtet.
Jamie bückte sich und zog eine Fackel aus dem Feuer, stand da, und die Fackel in seiner Hand erleuchtete die scharfen Kanten seines Gesichtes.
»Möge Gott unseren guten Willen bezeugen und unseren Armen Kraft verleihen -« Er hielt inne, um den Deutschen Zeit zum Übersetzen zu lassen. »Doch möge dieses Flammenkreuz als Zeichen unserer Ehre hier stehen und Gottes Schutz auf unsere Familien herabrufen - bis wir gesund heimkehren.«
Er drehte sich um und hielt die Fackel an den senkrechten Balken des Kreuzes, bis die trockene Rinde sich entzündete und eine kleine Flamme sich glühend auf dem dunklen Holz ausbreitete.
Alles stand schweigend da und sah zu. Es war kein Geräusch zu hören bis auf die Bewegungen und die Atemzüge der Menge, ein Echo des seufzenden Windes in der Wildnis ringsum. Es war nicht mehr als eine winzige, züngelnde Flamme, die bei jedem Windhauch flackerte und ganz zu erlöschen drohte. Kein benzingetränktes
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