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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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grünen Augen auf den Jungen.
    »Diese Erledigung, von der Ihr da sprecht«, sagte er. »Sie hat nicht zufällig etwas mit dieser Narbe auf Eurer Hand zu tun?«
    Der Becher prallte auf den Boden, und aufspritzender Kaffee traf mein Gesicht und mein Leibchen. Der Junge war aus den Decken gefahren und hatte die Lichtung schon halb überquert, bevor ich die Augen zukneifen und sehen konnte, was vorging - und zu diesem Zeitpunkt war Jamie schon auf den Beinen und hinter ihm her. Der Junge war um das Feuer gerannt; Jamie sprang darüber. Sie verschwanden im Wald wie Fuchs und Jagdhund, und Roger und ich starrten ihnen mit offenen Mündern nach.
    Zum zweiten Mal in dieser Nacht fuhren die Männer von ihren Schlaflagern hoch und griffen nach ihren Gewehren. Langsam kam mir der Gedanke, dass der Gouverneur seine Freude an dieser Miliz haben würde; sie waren jedenfalls allzeit bereit, in Sekundenschnelle zur Tat zu schreiten.
    »Was zum Teufel...?«, sagte ich zu Roger und wischte mir den Kaffee von den Augenbrauen.
    »Vielleicht hätte ich ihn nicht so plötzlich darauf ansprechen sollen«, sagte er.

    »Was? Was? Was ist denn los?«, bellte Murdo Lindsay und sah sich funkelnd um, während er seinen Gewehrlauf an den dunklen Bäumen entlang schweifen ließ.
    »Werden wir angegriffen? Wo sind die Schufte?« Kenny richtete sich neben mir auf die Hände und Knie auf und blinzelte unter dem Bund seiner Strickmütze hervor wie eine Kröte unter einer Gießkanne.
    »Nichts. Gar nichts ist. Ich meine - es ist wirklich alles in Ordnung!«
    Meine Beruhigungs- und Erklärungsversuche gingen im allgemeinen Aufruhr mehr oder weniger unter. Allerdings gelang es Roger, der sehr viel größer und lauter war als ich, schließlich, die Unruhe zu beenden und die Dinge zu erklären - soweit sie zu erklären waren. Was zählte schon ein Junge mehr oder weniger? Unter beträchtlichem Murren legten sich die Männer erneut zur Ruhe, bis nur noch Roger und ich übrig waren und uns gegenseitig über die Kaffeekanne hinweg anstarrten.
    »Was war es denn?«, fragte ich leicht gereizt.
    »Die Narbe? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Buchstabe >D< war - ich habe es gesehen, als du ihm den Kaffee gegeben hast und er seine Hand um den Becher gelegt hat.«
    Mir ballte sich der Magen zusammen. Ich wusste, was das bedeutete; ich hatte es schon öfter gesehen.
    »Dieb«, sagte Roger, den Blick auf mein Gesicht geheftet. »Man hat ihn gebrandmarkt.«
    »Ja«, sagte ich unglücklich. »O je.«
    »Würden die Leute in Fraser’s Ridge ihn nicht akzeptieren, wenn sie davon wüssten?«, fragte Roger.
    »Ich bezweifle, dass es die meisten von ihnen überhaupt interessieren würde«, sagte ich. »Das ist es nicht; es ist die Tatsache, dass er weggelaufen ist, als du in darauf angesprochen hast. Er ist nicht nur ein überführter Dieb - ich fürchte, dass er auf der Flucht ist. Und Jamie hat ihn beim gathering an seine Seite gerufen.«
    »Ah.« Roger kratzte sich geistesabwesend den Backenbart. »Earbsachd. Jamie wird sich ihm verpflichtet fühlen.«
    »Etwas in der Art.«
    Roger war Schotte und - zumindest theoretisch - Highlander. Aber er war lange nach dem Untergang der Clans zur Welt gekommen, und weder Geschichte noch Tradition konnten ihm eine Vorstellung von der Kraft des uralten Bandes zwischen Gutsherrn und Pächter vermitteln, zwischen Häuptling und Clansmann. Wahrscheinlich hatte Josiah ja selbst keine Ahnung von der Wichtigkeit des earbsachd- Versprechens - von dem, was auf beiden Seiten versprochen und akzeptiert worden war. Jamie dagegen schon.
    »Glaubst du, Jamie erwischt ihn?«, fragte Roger.
    »Ich nehme an, er hat ihn schon. Er kann im Dunkeln die Spur des Jungen nicht verfolgen, und wenn er ihm entwischt wäre, wäre er längst wieder hier.«

    Es gab noch andere Möglichkeiten - dass Jamie in der Dunkelheit von einem Felsvorsprung gestürzt war, dass er über einen Stein gestolpert war und sich das Bein gebrochen hatte, oder dass er beispielsweise einer Raubkatze oder einem Bären begegnet war - aber ich zog es vor, darüber nicht nachzudenken.
    Ich stand auf, reckte meine steifen Glieder und spähte in den Wald, wo Jamie und seine Beute verschwunden waren. Josiah mochte ja ein guter Waldläufer und Jäger sein, aber Jamie war beides schon viel länger. Josiah war klein, flink und von Angst beflügelt; Jamie war ihm an Größe, Kraft und purer Sturheit weit überlegen.
    Roger stellte sich neben mich. Sein hageres Gesicht war leicht

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