Das Flammende Kreuz
Und sind beide mehr als mündig«, fügte er hinzu, während er Ninian angrinste, der vor unterdrücktem Humor leuchtend rot wurde. Ich hatte keine Ahnung, wie alt Duncan Innes war, schätzte ihn aber auf Mitte fünfzig. Jamies Tante Jocasta musste mindestens ein Jahrzehnt älter sein.
Über die Köpfe der Menge hinweg konnte ich knapp sehen, wie Jocasta am anderen Ende huldvoll ihre Nachbarn und Freunde begrüßte. Sie war eine hoch gewachsene Frau und trug heute ein Kleid aus rostbraunem Wollstoff. Sie war von Steinvasen flankiert, die getrocknete Goldrutenbüschel enthielten; ihr schwarzer Butler Ulysses stand würdevoll in Perücke und grüner Livree daneben. Mit der eleganten, weißen Spitzenhaube, die ihre kühnen MacKenziezüge krönte, war sie unleugbar die Königin der Plantage von River Run. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und hielt nach ihrem Partner Ausschau.
Duncan war zwar etwas kleiner als Jocasta, aber er hätte dennoch zu sehen sein müssen. Etwas früher am Morgen hatte ich ihn auch schon gesehen, in die feinste, scharlachrote Highlandtracht gekleidet, in der er prachtvoll, wenn auch furchtbar befangen aussah. Ich reckte den Hals und legte Jamie die Hand auf den Arm, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Er ergriff meinen Ellbogen, um mich zu stützen.
»Wonach suchst du, Sassenach?«
»Duncan. Sollte er nicht bei deiner Tante sein?«
Niemand hätte Jocasta angesehen, dass sie blind war - dass sie zwischen
den großen Vasen stand, um sich zu orientieren, oder dass Ulysses bei ihr war, um ihr die Namen der heran nahenden Gäste ins Ohr zu flüstern. Ich sah, wie sich ihre linke Hand von ihrer Seite weg nach außen vortastete, nur Luft berührte und sich wieder senkte. Doch ihr Gesicht blieb unverändert; sie lächelte und nickte, während sie etwas zu Richter Henderson sagte.
»Vor der Hochzeitsnacht davon gelaufen?«, mutmaßte Ninian und hob Kinn und Augenbrauen, um über die Menge hinwegspähen zu können, ohne sich auf die Zehen zu stellen. »Diese Aussicht würde mich wahrscheinlich auch ein bisschen nervös machen. Eure Tante ist eine stattliche Frau, Fraser, aber wenn sie es darauf anlegt, bekommt sogar der König von Japan weiche Knie.«
Jamies Mund zuckte.
»Vielleicht ist Duncan irgendwie verhindert«, sagte er. »Ganz gleich, warum, er ist heute Morgen schon dreimal auf dem Abort gewesen.«
Jetzt zog auch ich die Augenbrauen hoch. Duncan litt unter chronischer Verstopfung; Jamies rüden Bemerkungen über die Natur eines passenden Hochzeitsgeschenkes zum Trotz hatte ich sogar ein Paket mit Sennesblättern und Salomonssiegelwurzeln für ihn dabei. Duncan musste nervöser sein, als ich gedacht hatte.
»Nun, für meine Tante wird es keine große Überraschung werden; sie war ja schließlich schon dreimal verheiratet«, sagte Jamie, nachdem Hamilton ihm etwas zugemurmelt hatte. »Aber für Duncan wird es die erste Ehe. Das ist für jeden Mann ein Schock. Ich kann mich noch gut an meine eigene Hochzeitsnacht erinnern, aye?« Er grinste mich an, und ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Auch ich konnte mich daran erinnern - lebhaft.
»Ziemlich warm hier draußen, findest du nicht?« Ich schlug meinen Fächer zu einem Halbkreis aus elfenbeinfarbener Spitze auf und hielt ihn mir wedelnd vor die Wangen.
»Wirklich?«, sagte er und grinste mich weiter an. »Das war mir gar nicht aufgefallen.«
»Duncan aber«, meldete sich Ninian zu Wort. Er spitzte seine krausen Lippen, um sein Gelächter zu unterdrücken. »Als ich ihn zuletzt gesehen habe, hat er geschwitzt wie ein Pudding im Wasserbad.«
In der Tat war es im Freien sogar geradezu kühl, trotz der gusseisernen Wannen voll glühender Kohlen, die an den Ecken der Steinterrasse standen und süßen Apfelholzduft verbreiteten. Der Frühling war da, und der Rasen war frisch und grün, genau wie die Bäume am Ufer, doch in der Morgenluft lag immer noch ein Hauch von beißender Winterkälte. In den Bergen war auch noch Winter, und unser Weg nach River Run hatte uns bis weit in den Süden nach Greensboro noch durch Schnee geführt, auch wenn die Krokusse und Osterglocken schon tapfer ihre Köpfe an die Luft steckten.
Doch heute war ein klarer, heller Märztag, und Haus, Terrasse, Rasen und Garten waren mit Hochzeitsgästen bevölkert, die in ihrem Sonntagsstaat
leuchteten wie ein verfrühter Schmetterlingsschwarm. Jocastas Hochzeit würde eindeutig das gesellschaftliche Ereignis des Jahres am Cape Fear werden; es
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