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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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unter dem Gewicht einer gigantischen Korbflasche mit Branntwein schwankten und auf die Tische mit den Erfrischungen zuhielten. Ich ging ihnen hastig aus dem Weg und wandte mich ab, um nach Jamie Ausschau zu halten.
    Er war in der Menge verschwunden wie ein Moorhuhn im Heidekraut. Ich drehte mich langsam und ließ dabei den Blick über die Terrasse und die Rasenflächen schweifen, aber es war keine Spur von ihm in der wogenden Menge zu sehen. Ich kniff die Augen zusammen, weil mich die Sonne blendete, und überschattete meine Augen mit meiner Hand.
    Es war ja schließlich nicht so, als ob er unauffällig gewesen wäre; als Highlander mit dem Blut der Wikingerriesen in den Adern überragte er die meisten Männer um mehr als einen Kopf, und die Sonne fing sich in seinem Haar wie auf polierter Bronze. Und zur Krönung des Ganzen war er zur Feier von Jocastas Hochzeit in seinen besten Staat gekleidet - ein gegürtetes Plaid aus purpurrotem und schwarzem Tartanstoff, dazu sein guter, grauer Rock nebst Weste und das schrillste Paar rotschwarzer Argylestrümpfe, das je die Schienbeine eines Schotten geziert hatte. Er hätte auffallen müssen wie ein Blutfleck auf frischem Leinen.

    Zwar fand ich ihn nicht, aber ein bekanntes Gesicht entdeckte ich dennoch. Ich verließ die Terrasse und schlängelte mich zwischen den Trauben der Gäste hindurch.
    »Mr. MacLennan!« Auf meinen Zuruf hin drehte er sich um und machte ein überraschtes Gesicht, doch dann breitete sich ein herzliches Lächeln über seine groben Züge.
    »Mrs. Fraser!«
    »Wie schön, Euch zu sehen«, sagte ich und reichte ihm die Hand. »Wie geht es Euch?« Er sah viel besser aus als bei unserem letzten Zusammentreffen. Er war sauber, und in seinem dunklen Anzug und seinem schlichten, gestreiften Hut bot er ein anständiges Bild. Doch seine Wangen waren hohl, und hinter seinen Augen lauerte ein Schatten, der auch nicht verschwand, als er mich anlächelte.
    »Oh... ganz gut, Ma’am. Wirklich gut.«
    »Seid Ihr... wo lebt Ihr denn jetzt?« Diese Frage schien mir höflicher zu sein als: »Warum seid Ihr nicht im Gefängnis?« Da er kein Dummkopf war, beantwortete er beide Fragen.
    »Ach, nun ja, Euer Gatte war so freundlich, an Mr. Ninian dort drüben zu schreiben -« Er wies mit dem Kopf auf die hagere Gestalt von Ninian Bell Hamilton, der auf dem Rasen in eine erhitzte Diskussion verwickelt war. »Er hat ihn von meinem Kummer unterrichtet. Mr. Ninian ist ein großer Freund der Regulatoren - und außerdem ein guter Freund von Richter Henderson.« Er schüttelte den Kopf, die Lippen verwundert gespitzt.
    »Ich kann nicht genau sagen, wie es dazu gekommen ist, aber Mr. Ninian hat mich aus dem Gefängnis geholt und mich in sein Haus aufgenommen. Dort bin ich also nun zurzeit. Es war gütig - sehr gütig.« Er meinte seine Worte offensichtlich aufrichtig, und doch sprach er sie mit einer gewissen Geistesabwesenheit. Dann verstummte er. Er sah mich immer noch an, doch seine Augen waren ausdruckslos. Ich versuchte, mir etwas zu überlegen, was ich sagen könnte, um ihn vielleicht in die Gegenwart zurückzuholen, doch ein Ausruf Ninians riss ihn aus seiner Trance und ersparte mir die Mühe. Abel entschuldigte sich höflich bei mir und ging zu ihm, um ihn bei der Diskussion zu unterstützen.
    Ich schlenderte über den Rasen und nickte über den Fächer hinweg diversen Bekannten zu. Es freute mich, Abel wiederzusehen und zu wissen, dass er zumindest körperlich unversehrt war - doch ich konnte nicht leugnen, dass mir bei seinem Anblick kalt ums Herz wurde. Ich hatte das Gefühl, dass es Abel MacLennan kaum interessierte, wo sich sein Körper aufhielt; sein Herz lag mit seiner Frau im Grab.
    Warum hatte Ninian ihn heute mitgebracht? fragte ich mich. Eine solche Hochzeit konnte ihn doch nur an seine eigene Ehe erinnern; das hatten Hochzeiten nun einmal so an sich.
    Die Sonne stand jetzt so hoch, dass sie die Luft erwärmte, doch ich erschauerte.
Zu sehr erinnerte mich der Anblick von MacLennans Schmerz an die Tage nach Culloden, als ich in der Gewissheit, dass Jamie tot war, in meine eigene Zeit zurückgekehrt war. Ich kannte diese Leblosigkeit des Herzens nur zu gut; das Gefühl, am Tage schlafzuwandeln und des Nachts mit offenen Augen dazuliegen, keine Ruhe zu finden, das einzige Gefühl eine Leere, die kein Frieden war.
    Jocastas Stimme schwebte von der Terrasse herab und rief nach Ulysses. Sie hatte drei Ehemänner verloren und war jetzt entschlossen, sich einen vierten zu

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