Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Hand in meinen Rücken.
    »Zirze«, flüsterte er und senkte sein Gesicht auf das meine. Ich trat nach ihm. Dummerweise benutzte ich dazu meinen verletzten Fuß, so dass der Tritt nicht besonders viel Kraft hatte und er ihn ignorierte.
    Ich begann, mich ernsthaft zu wehren, als jetzt das Gefühl verblüfften Unglaubens dem Bewusstsein wich, dass der junge Mann mir die Hand fest in den Rücken gelegt hatte. Gleichzeitig war mir jedoch auch bewusst, dass sich eine ganze Reihe von Menschen in der Nähe des Stalles aufhielten; das Letzte, was ich wollte, war Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Aufhören!«, zischte ich. »Hört auf der Stelle auf damit!«
    »Ihr raubt mir den Verstand«, keuchte er und drückte mich an seine Brust, während er versuchte, mir seine Zunge ins Ohr zu schieben.
    Ich hatte allerdings den Eindruck, dass er nicht bei Verstand war, doch lehnte ich es kategorisch ab, auch nur die geringste Verantwortung für diesen Zustand zu übernehmen. Ich wich so weit zurück, wie ich konnte - nicht besonders weit, da ich den Balken im Rücken hatte -, und versuchte mit aller Gewalt, eine Hand zwischen uns zu schieben. Inzwischen hatte mein Schreck völlig nachgelassen, und ich begann überraschend klar zu denken. Ich konnte ihm nicht das Knie in den Schritt rammen, denn er hatte ein Bein zwischen die meinen geschoben und dabei meinen Rock festgeklemmt. Wenn es mir jedoch gelang, ihm die Hand um den Hals zu legen und seine Halsschlagadern fest zwischen die Finger zu bekommen, würde er wie ein Stein zu Boden stürzen.
    Ich bekam zwar seinen Hals zwischen die Finger, aber seine verflixte Halsbinde war mir im Weg; meine Finger zerrten daran herum, und er fuhr mit dem Kopf zur Seite und griff nach meiner Hand.

    »Bitte«, sagte er. »Ich möchte -«
    »Es interessiert mich nicht, was Ihr möchtet!«, sagte ich. »Lasst mich sofort los, Ihr - Ihr -« Ich suchte hektisch nach einer passenden Beleidigung. »Grünschnabel! «
    Zu meiner großen Überraschung hielt er inne. Sein Gesicht konnte nicht blass werden, da es schon mit Reismehl gepudert war - ich konnte den widerlich süßen Geschmack auf meinem Mund spüren -, doch er presste die Lippen zusammen, und seine Miene war... arg verletzt.
    »Denkt Ihr das wirklich von mir?«, fragte er mit leiser Stimme.
    »Ja, genau das denke ich!«, sagte ich. »Was soll ich denn sonst denken? Habt Ihr den Verstand verloren, Euch so - so abscheulich zu benehmen? Was ist nur los mit Euch?«
    »Abscheulich?« Es schien ihn sehr zu verblüffen, seine Avancen auf diese Weise beschrieben zu hören. »Aber ich - das heißt, Ihr - ich dachte, Ihr wärt... ich meine, vielleicht nicht abgeneigt -«
    »Das ist unmöglich«, sagte ich im Brustton der Überzeugung. »Dergleichen könnt ihr unmöglich gedacht haben. Ich habe Euch nie auch nur den geringsten Grund gegeben, so etwas zu denken!« Das hatte ich wirklich nicht getan - zumindest nicht mit Absicht. Allerdings kam mir der unangenehme Gedanke, dass ich selbst mein Verhalten möglicherweise mit etwas anderen Augen sah als Philip Wylie es tat.
    »Ach nein?« Seine Miene veränderte sich, verfinsterte sich vor Wut. »Erlaubt mir, diese Auffassung nicht zu teilen, Madame!«
    Ich hatte ihm gesagt, ich sei alt genug, um seine Mutter zu sein; mir war keine Sekunde lang in den Sinn gekommen, dass er mir nicht glaubte.
    »Zirze«, sagte er noch einmal, allerdings in einem ganz anderen Tonfall als beim ersten Mal. »Keinen Grund? Ihr habt mir allen Grund gegeben, von unserer ersten Begegnung an.«
    »Was?« Vor lauter Unglauben hob sich meine Stimme um eine Oktav. »Ich habe nie etwas anderes getan, als mich höflich mit Euch zu unterhalten. Wenn das für Euch dem Versuch gleich kommt, Euch zu bezirzen, mein Junge, dann -«
    »Nennt mich nicht so!«
    Oh, also war ihm der Altersunterschied doch aufgefallen. Er hatte wohl nur dessen Größe nicht richtig eingeschätzt. Mit einem gewissen Gefühl der Nervosität begriff ich, dass man in Philips gesellschaftlichen Kreisen in der Tat unter dem Deckmantel scherzhafter Gespräche miteinander flirtete - zumindest in Ansätzen. Was in Gottes Namen hatte ich nur zu ihm gesagt?
    Ich konnte mich dumpf daran erinnern, mit ihm und seinem Freund Stanhope über die Portoverordnung diskutiert zu haben. Ja, Steuern, und, so dachte ich, Pferde - aber das konnte doch nicht ausgereicht haben, um eine solche Fehleinschätzung auszulösen?
    »Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon«, sagte er leise und

Weitere Kostenlose Bücher