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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hielt die Laterne hoch und wandte sich mir dabei lächelnd zu. Der Laternenschein fiel auf ein Pferdefell, das glänzende Wellen warf wie Wasser bei Nacht, und er spiegelte sich leuchtend in den großen, braunen Augen der Stute wider, die sich uns jetzt zuwandte.
    »Oh«, sagte ich leise, »wie wunderschön.« Und dann, etwas lauter: »Oh!« Die Stute hatte sich leicht bewegt, und ihr Fohlen lugte hinter den Hinterbeinen seiner Mutter hervor. Es hatte lange Beine mit knotigen Gelenken, sein winziger Rumpf und die schrägen Schultern waren rundliche Spiegelbilder der muskulösen Perfektion seiner Mutter. Es hatte die gleichen großen, freundlichen Augen, die von langen, langen Wimpern umrahmt waren - doch statt des glatten Fells aus wogendem Schwarz war es mit einer dunklen,
rötlichbraunen Wolle bedeckt, die an Kaninchenplüsch erinnerte, und sein Schweif war eine absurde, kleine Kleiderbürste.
    Die Mutter der kleinen Stute hatte die gleiche, traumhaft wallende Mähne, die ich schon bei den Friesen auf dem Paddock gesehen hatte; das Baby hatte einen lustigen Borstenkamm aus etwa drei Zentimeter langen Haaren, die senkrecht abstanden wie eine Zahnbürste.
    Das Fohlen blinzelte, durch das Licht irritiert, dann duckte es sich rasch hinter den schützenden Körper seiner Mutter. Im nächsten Augenblick kamen die zuckenden Nüstern einer kleinen Nase behutsam in Sicht. Ein großes Auge folgte, blinzelte - und die Nase verschwand, nur um beinahe augenblicklich wieder aufzutauchen, diesmal ein wenig weiter.
    »Hey, du kleine Zirze!«, sagte ich entzückt.
    Wylie lachte.
    »Das ist sie wirklich«, sagte er mit von Besitzerstolz erfüllter Stimme. »Sind sie nicht prachtvoll?«
    »Nun ja, doch«, sagte ich und überlegte. »Das sind sie. Ich weiß nur nicht, ob es das richtige Wort ist. >Prachtvoll< hört sich mehr nach etwas an, was man über einen Hengst oder ein Schlachtross sagen würde. Diese Pferde sind... na ja, sie sind süß!«
    Wylie prustete leise und belustigt auf.
    »Süß?« sagte er. »Süß?«
    »Na ja, Ihr wisst schon«, sagte ich lachend. »Bezaubernd. Sanft. Hinreißend.«
    »All das«, sagte er und wandte sich mir zu. »Und wunder, wunderschön.« Sein Blick war nicht auf die Pferde, sondern vielmehr auf mich gerichtet, und sein Gesicht trug den Hauch eines Lächelns.
    »Ja«, sagte ich mit einem schwachen, merkwürdigen Gefühl der Beklommenheit. »Ja, sie sind sehr schön.«
    Er stand sehr dicht neben mir; ich trat einen Schritt zur Seite und wandte mich ab, als wollte ich erneut die Pferde betrachten. Das Fohlen saugte am geschwollenen Euter der Stute und wedelte geschäftig mit seinem mickrigen Schweif.
    »Wie heißen sie denn?«, fragte ich.
    Wylie trat lässig auf den Trennbalken der Abfohlbox zu, richtete es jedoch so ein, dass sein Arm an meinem Ärmel vorbeistrich, als er sich nach oben reckte, um die Laterne an einen Wandhaken zu hängen.
    »Die Stute heißt Tessa«, sagte er. »Den Hengst - Lucas - habt Ihr ja schon gesehen. Und was das Fohlen angeht...« Er ergriff meine Hand und hob sie lächelnd. »Ich habe mir gedacht, vielleicht nenne ich es La Belle Claire.«
    Zuerst regte ich mich nicht, denn vor lauter Unglauben traf mich fast der Schlag. Nicht über den Namensvorschlag, sondern über den Ausdruck, der ganz deutlich in Philip Wylies Gesicht zu erkennen war.
    »Was?«, sagte ich ausdruckslos. Ich irrte mich bestimmt, dachte ich. Ich
versuchte, ihm meine Hand zu entreißen, doch ich hatte eine Sekunde zu lange gezögert, und seine Finger schlossen sich fest um die meinen. Er hatte doch wohl nicht vor...
    Doch genauso war es.
    »Bezaubernd«, sagte er leise und kam näher. »Sanft. Hinreißend. Und... wunderschön.« Er küsste mich.
    Ich war so schockiert, dass ich mich im ersten Moment nicht regte. Sein Mund war sanft, der Kuss kurz und unschuldig. Das spielte jedoch kaum eine Rolle; was zählte, war die Tatsache, dass er es getan hatte.
    »Mr. Wylie!«, sagte ich. Ich trat einen hastigen Schritt zurück, doch dann war mir die Boxenwand im Weg.
    »Mrs. Fraser«, sagte er leise und trat seinerseits einen Schritt vor. »Meine Liebe.«
    »Ich bin nicht Eure -«, begann ich, und er küsste mich erneut. Ohne die geringste Spur von Unschuld. Nach wie vor schockiert, aber nicht länger vom Schlag getroffen, versetzte ich ihm einen heftigen Schubs. Er schwankte, und seine Umklammerung meiner Hand löste sich, doch dann fand er das Gleichgewicht wieder, packte mich am Arm und fuhr mit der anderen

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