Das Flammende Kreuz
undenkbar, dass ein Farmer um diese Jahreszeit sein Land im Stich ließ, um gegen die Regierung zu protestieren, ganz gleich, wie aufgebracht er war.
»Verlassen oder verloren«, sagte er knapp. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich, als er mich ansah. »Hast du mit meiner Tante gesprochen?«
»Äh... nein«, sagte ich schuldbewusst. »Noch nicht. Ich hatte gerade vor... oh - du hast gesagt, es gibt noch ein anderes Problem. Was ist denn sonst noch passiert?«
Er machte ein Geräusch wie ein zischender Teekessel, was eine für ihn seltene Ungeduld verriet.
»Himmel, ich hatte sie fast vergessen. Ich glaube, eine der Sklavinnen ist vergiftet worden.«
»Was? Wer? Wie denn?« Ich ließ die Hände von meinen Haaren sinken, und ich starrte ihn an. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Ich sage es dir doch gerade, oder? Mach dir keine Sorgen, sie ist nicht in Gefahr. Nur sturzbetrunken.« Er zuckte gereizt mit den Schultern. »Das Problem ist nur, dass sie vielleicht gar nicht diejenige war, die vergiftet werden sollte - aber ich habe Roger Mac und Brianna gebeten, sich umzusehen, und noch haben sie mir keine Toten gemeldet, also ist der Verdacht vielleicht falsch.«
» Vielleicht ?« Ich rieb mir das Nasenbein, durch diese neue Entwicklung
von meinen anderen Sorgen abgelenkt. »Ich versichere dir, Alkohol ist giftig, auch wenn es kaum jemand zu begreifen scheint, aber es besteht ein Unterschied dazwischen, ob man betrunken ist oder mit Absicht vergiftet wird. Was meinst du also mit -«
»Sassenach«, unterbrach er mich.
»Was?«
»Was in Gottes Namen hast du getan?«, platzte er heraus.
Ich starrte ihn verwirrt an. Sein Gesicht war im Lauf unseres Gespräches zusehends röter geworden, doch ich hatte angenommen, dass dies an seiner Frustration und Sorge um Duncan, Jocasta und die Regulatoren lag. Als ich jetzt ein gefährliches, blaues Glitzern in seinem Auge sah, dämmerte mir, dass seiner Haltung etwas sehr viel Persönlicheres zugrunde lag. Ich neigte den Kopf zur Seite und sah ihn argwöhnisch an.
»Was meinst du damit, was habe ich getan?«
Er presste die Lippen fest zusammen und antwortete nicht. Stattdessen streckte er den Zeigefinger aus und berührte ganz vorsichtig eine Stelle neben meinem Mund. Dann drehte er die Hand um und präsentierte mir einen kleinen, dunklen Gegenstand, der an seiner Fingerspitze klebte - Philip Wylies sternförmiges, schwarzes Schönheitspflaster.
»Oh.« Ich spürte deutlich, wie es in meinen Ohren rauschte. »Das. Äh...« Mein Kopf fühlte sich ganz leicht an, und kleine Flecken - die alle wie schwarze Sterne geformt waren - tanzten vor meinen Augen herum.
»Ja, das«, fuhr er mich an. »Himmel, Frau! Ich sorge mich zu Tode um Duncans Wehwehchen und Ninians Kapriolen - und warum hast du mir nicht erzählt, dass er sich mit Barlow geprügelt hat?«
»Ich würde das kaum als Prügelei bezeichnen«, sagte ich und bemühte mich, wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. »Außerdem hat Major MacDonald das Ganze beendet - da du ja nicht zu finden warst. Und da du ja möchtest, dass man dir alles erzählt, der Major möchte gern -«
»Ich weiß, was er möchte.« Er tat den Major mit einer abrupten Handbewegung ab. »Aye, ich stecke bis über beide Ohren in Majoren und Regulatoren und betrunkenen Dienstmädchen, und du bist da draußen im Stall und verlustierst dich mit diesem Lebemann!«
Ich spürte, wie mir das Blut in die Augen stieg, und ballte die Fäuste, um den Impuls, auf ihn einzuschlagen, im Zaum zu behalten.
»Ich habe mich nicht verlustiert, nicht im Mindesten, und das weißt du auch. Der verflixte, kleine Strolch hat mir Avancen gemacht, das war alles.«
»Avancen? Du meinst, er hat sich dir angenähert? Aye, das kann ich sehen!«
»Das hat er nicht!«
»Oh, aye? Dann hast du ihn also gefragt, ob du seinen Glitterkram als Glücksbringer anprobieren darfst?« Er hielt mir den Finger mit dem schwarzen Pflästerchen unter die Nase, und ich schlug ihn beiseite. Einen Augenblick
zu spät fiel mir ein, dass mit »Annäherung« nichts weiter als ein Flirtversuch gemeint war, keine körperliche Liebe.
»Ich meine «, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen, »dass er mich geküsst hat. Wahrscheinlich sollte es ein Scherz sein; ich bin alt genug, um seine Mutter zu sein, zum Kuckuck!«
»Wohl eher seine Großmutter«, sagte Jamie brutal. »Dich geküsst, soso - wieso zum Teufel hast du ihn denn auch dazu ermuntert, Sassenach?«
Mir klappte vor Entrüstung der
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