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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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müden Augen verbeugte sich, als ich den Kopf zur Tür hinein steckte, und fragte mich murmelnd, ob ich etwas zu essen oder trinken wünschte. Ich hatte im Lauf des Abends nicht viel gegessen, doch ich winkte ab, denn ich war zu müde, um ans Essen zu denken.
    Ich blieb auf dem ersten Treppenabsatz stehen und spähte den Flur entlang
zu Jocastas privaten Zimmern hinüber, auch dort war alles still ─ die Katzenmusik und die Scherze waren vorbei. Die Wandverkleidung aus gerafftem Leinen hatte an einer Stelle eine große Delle, wo ein schwerer Körper dagegen geprallt war, und ich konnte mehrere Brandflecken an der Decke sehen, die von Schüssen getroffen worden war.
    Ulysses saß auf einem Stuhl an der Tür und hielt Wache. Er trug immer noch seine Perücke und seine formelle Livree. Sein Kopf war über seine verschränkten Arme gesunken. Über ihm hing ein Wandhalter mit einer Kerze, die zischte und spritzte. Ich sah, wie er im Schlaf die Stirn runzelte, als träumte er etwas Böses, und dachte schon daran, ihn zu wecken, doch als ich mich in Bewegung setzte, verging der Traum. Er reckte sich im Halbschlaf, dann schlief er wieder ein, und sein Gesicht entspannte sich. Eine Sekunde später erlosch flackernd die Kerze.
    Ich lauschte, hörte jedoch kein Geräusch in der Dunkelheit außer Ulysses’ schwerem Atem. Ob sich Jocasta und Duncan hinter ihren Bettvorhängen verständnisvolle Worte zumurmelten oder schweigend und auf ewig getrennt nebeneinander lagen, würde niemand je erfahren. Ich wünschte ihnen in Gedanken Frieden und Glück und schob mich mit schmerzenden Knien und Rückenwirbeln weiter nach oben, denn ich sehnte mich meinerseits nach meinem Bett - und dem Verständnis meines Mannes.
    Durch ein offenes Fenster auf dem zweiten Treppenabsatz trug die Nachtluft entferntes Gejohle, Gelächter und dann und wann den Knall eines Freudenschusses herbei. Die jüngeren, wilderen Herren - und ein paar, die eigentlich alt genug waren, um es besser zu wissen - waren in Begleitung eines Dutzends Flaschen Whisky und Brandy zur Anlegestelle am Fluss hinuntergegangen, um Frösche zu schießen, so sagte man mir zumindest.
    Die Damen dagegen schliefen ausnahmslos. In der zweiten Etage war es bis auf das gedämpfte Brummen der Schnarcher still. Im Kontrast zur Kühle des Korridors war die Luft in der Kammer erdrückend, obwohl das Feuer bis auf eine leuchtend rote Kohlenschicht heruntergebrannt war, die nicht mehr als ein gespenstisches Glühen ausstrahlte.
    Da sich so viele Gäste im Haus aufhielten, genoss einzig das Brautpaar den Luxus eines Schlafzimmers für sich allein; der Rest war wohl oder übel dicht gedrängt in den wenigen, verfügbaren Schlafzimmern untergebracht. In diesem hier standen zwei große Himmelbetten und ein Rollbett, und der restliche Fußboden war zum Großteil mit Strohmatratzen ausgelegt. Die Betten waren vollgestopft wie Sardinenbüchsen; Frauen, die nichts als ihre Hemden trugen, lagen Seite an Seite quer über den Matratzen und strömten eine feuchte Hitze aus wie ein ganzes Treibhaus voller Orchideen.
    Ich atmete flach - die Luft war von einer widerlichen Mischung aus abgestandenem Schweiß, Barbecue und gebratenen Zwiebeln, französischen Parfums, Alkoholausdünstungen und dem süßlich-scharfen Geruch von Vanilleschoten erfüllt - und entledigte mich meines Kleides und meiner Schuhe,
so schnell ich konnte, denn ich hoffte, mich auskleiden zu können, bevor mir der triefende Schweiß ausbrach. Ich stand immer noch unter Spannung von den Ereignissen des Tages, doch die Erschöpfung zog mit bleierner Schwere an meinen Gliedern, und ich war froh, jetzt auf Zehenspitzen über das Gewimmel der Körper steigen und meinen gewohnten Platz am Fußende eines der großen Betten einnehmen zu können.
    In meinem Kopf wimmelte es von Spekulationen aller Art, und trotz der hypnotischen Stille so vieler Schlafender ringsum lag ich mit steifen, schmerzenden Knochen da und betrachtete vor dem ersterbenden Kaminfeuer die Silhouette meiner Zehen.
    Betty war aus ihrer Betäubung in einen Zustand übergegangen, der wie normaler Tiefschlaf aussah. Wenn sie am Morgen erwachte, würden wir herausfinden, wer ihr den Becher gegeben hatte, und - vielleicht - auch, was darin gewesen war. Ich hoffte, dass auch Jemmy gut schlafen würde. Was mich wirklich beschäftigte, war natürlich Jamie.
    Ich hatte ihn weder unter den Kartenspielern noch unter den Männern gesehen, sie sich mit gedämpfter Stimme über Steuern und

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