Das Flammende Kreuz
Hocker, Jemmy in seine Armbeuge gekuschelt. Der Druck der hölzernen Sitzfläche rief ihm ein gewisses Maß an Restspannung von ihrem Zusammensein unter den Weiden ins Gedächtnis, und er rutschte sacht hin und her, um das unangenehme Gefühl zu lindern.
»Na ja, es schadet einem nicht dauerhaft«, murmelte er Jemmy zu. »Da kannst du jedes Mädchen fragen.«
Jemmy prustete und schniefte, sagte etwas Unverständliches, das mit »Di-?« begann und hustete erneut, jedoch nur kurz. Roger legte seinen Handrücken an Jemmys weiche, runde Wange. Er meinte, dass sie kühler geworden war. Schwer zu sagen, angesichts der Wärme hier im Zelt. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht, und er wischte sich mit dem Ärmel darüber.
»Di-da?«, fragte eine leise Quäkstimme an seiner Brust.
»Aye, gleich. Psst jetzt.«
»Di-da. Di-da!«
»Schhh!«
»Di-«
»Light she was and like a fairy -« Er versuchte, sich an den Text des Liedes zu erinnern.
»DA-«
»AND HER SHOES WERE NUMBER NINE!« Roger legte abrupt an Lautstärke zu und rief damit sowohl im Zeltinneren als auch draußen in der Küche erschrockenes Schweigen hervor. Er räusperte sich und senkte seine Stimme wieder auf Schlafliedstärke.
»Äh ... Herring hoxes without topses... Sandals were for Clementine. Ob, my darling oh, my darling oh, my darling Clementine... Thou art lost and gone for-ev-er, oh, my darling, Clementine.«
Der Gesang schien zu wirken. Jemmys Augenlider hatten sich auf Halbmast gesenkt. Er steckte seinen Daumen in den Mund und fing an, daran zu nuckeln, konnte aber sichtlich nicht durch seine verstopfte Nase atmen. Roger zog den Daumen sanft heraus und hielt die winzige Faust mit der seinen umschlossen. Sie war nass und klebrig und sehr klein, fühlte sich aber beruhigend kräftig an.
»Fed she duck-lings, by the water, every mor-ning just at nine... Hit her foot a-gainst a splin-ter, fell into the foaming brine.«
Jemmys Augenlider zitterten kurz, dann gaben sie den Kampf auf und schlossen sich. Er seufzte und erschlaffte völlig, während seine Haut Hitzewellen verströmte. Winzige Tröpfchen hingen bebend an seinen Wimpern - Tränen, Schweiß, Dampf, vielleicht von allem etwas.
»Ruby lips a-bove the wa-ter, blowing bub-bles soft and fine... Alas for me, I was no swim-mer, so I lost my Clementine. Oh, my darling, oh, my darling...«
Er wischte sich noch einmal über das Gesicht, beugte sich nieder und küsste die weiche Matte aus feuchtem, seidigem Haar. Danke, dachte er von Herzen aufrichtig an alle Welt von Gott an abwärts gerichtet.
»Oh, my darling... Clementine.«
48
Ein Fremder in der Nacht
Es war sehr spät, als ich mich zu Bett begab, nachdem ich mich ein letztes Mal vergewissert hatte, dass es meinen Patienten gut ging. DeWayne Buchanan hatte sich eine leichte Fleischwunde am Oberarm zugezogen, weil Ronnie Campbell es versäumt hatte, beim Herumalbern mit seiner Pistole hoch genug zu zielen, war jedoch guter Dinge, nachdem ich die Wunde gesäubert und verbunden hatte. Da Ronnie ihn in einem Anfall von Reue freizügig mit Alkohol abgefüllt hatte, spürte er momentan buchstäblich keinen Schmerz.
Einer von Farquard Campbells Sklaven, ein Mann namens Rastus, hatte eine üble Brandverletzung an der Hand erlitten, als er gegrilltes Geflügel von einem Spieß zog; hier konnte ich nicht mehr tun als die Hand in ein sauberes Tuch zu wickeln, sie in eine Schüssel mit kaltem Wasser zu legen und die Einnahme von Gin zu verschreiben. Außerdem hatte ich mehrere ziemlich betrunkene, junge Männer behandelt, die als Ergebnis einer Zwistigkeit beim Würfelspiel diverse Prellungen, Schürfwunden und fehlende Zähne davongetragen hatten. Sechs Fälle von Magenverstimmung, die alle mit Pfefferminztee behandelt worden waren und Besserung verzeichneten. Betty schlief fest, aber anscheinend ganz natürlich und lag laut schnarchend im Bett; Jemmy, dessen Fieber nachgelassen hatte, ebenso.
Das laute Treiben war jetzt zum Großteil verstummt; nur die hartnäckigsten Kartenspieler waren noch zugange und blinzelten im kleinen Salon mit roten Augen durch eine Wolke aus Tabakrauch auf ihre Blätter. Ich sah auf meinem Weg zur Haupttreppe auch in die anderen Zimmer des Erdgeschosses. Einige Herren verweilten noch in gedämpfter, politischer Unterhaltung an einem Ende des Speisezimmers. Der Tisch war längst abgeräumt, und ihre leeren Brandygläser standen vergessen vor ihnen. Jamie war nicht unter ihnen.
Ein livrierter Sklave mit
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