Das Flammende Kreuz
Tabak unterhielten.
Auch Philip Wylie hatte ich nirgendwo im Parterre des Hauses gesehen. Möglicherweise befand er sich unter den ausgelassenen Seelen an der Anlegestelle. Das war seine Klasse und sein Stil, reiche, junge Männer, die Ablenkung beim Alkohol und beim Glücksspiel suchten, die sich im Dunklen herumtrieben, ohne sich an der Kälte oder der Gefahr zu stören und einander lachend im Licht gelegentlicher Gewehrschüsse nachjagten.
Jamies Klasse oder Stil war es nicht, doch bei dem Gedanken, dass er sich unter ihnen befinden könnte, verkrampften sich meine Füße trotz der Hitze im Zimmer vor Kälte.
Er würde niemals eine Dummheit hegehen, redete ich mir ein und drehte mich auf die Seite, wobei ich meine Knie hochzog, so weit es in der Enge möglich war. Nein, das würde er nicht, doch seine Vorstellungen von Dummheit entsprachen nicht immer den meinen.
Die meisten der männlichen Gäste übernachteten in den Nebengebäuden oder den Salons; im Vorübergehen hatte ich auf dem Boden des vorderen Salons schlafende Gestalten gesehen, die laut schnarchend in ihre Umhänge gehüllt vor dem Feuer lagen. Ich war nicht näher heran gegangen, um sie wach zu rütteln, doch Jamie war mit Sicherheit unter ihnen - er hatte schließlich einen ebenso langen Tag hinter sich wie ich.
Andererseits sah es ihm ganz und gar nicht ähnlich, sich zurückzuziehen, ohne mir eine gute Nacht zu wünschen, egal unter welchen Umständen. Natürlich hatte er sich über mich geärgert, und trotz unserer viel versprechenden, unterbrochenen Unterhaltung auf der Terrasse hatten wir den Streit noch nicht richtig beigelegt. Ganz im Gegenteil, durch Philip Wylies verflixte Herausforderung war er wieder aufgeflammt. Meine Hände krümmten sich,
und meine Daumen rieben über die leichten Schwielen, die die Stellen markierten, wo normalerweise meine Ringe saßen. Verfluchter Schotte!
Durch meine Unruhe aufgestört, regte sich Jemima Hatfield murmelnd neben mir. Ich ließ mich langsam wieder auf die Seite sinken und starrte blicklos auf die Eichendiele vor meinen Augen.
Ja, er ärgerte sich bestimmt immer noch über Philip Wylies Avancen. Genau wie ich - zumindest hätte ich mich geärgert, wenn ich nicht so müde gewesen wäre. Wie konnte er es wagen! Ich gähnte so herzhaft, dass ich mir fast den Kiefer verrenkte, und beschloss, dass die ganze Sache den Ärger nicht wert war, zumindest nicht im Augenblick.
Dennoch, es sah Jamie nicht ähnlich, mir aus dem Weg zu gehen, ob er sich nun ärgerte oder nicht. Er war kein Mann, der sich aufs Schmollen oder Grübeln verlegte. Er konnte ohne das geringste Zögern eine Konfrontation suchen oder einen Streit heraufbeschwören, aber ich glaubte nicht, dass er seinen Grimm je mit zu Bett genommen hatte - zumindest nicht, wenn es um mich ging.
Und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich sorgenvoll zu fragen, wo er war und was zum Teufel er gerade trieb. Und die Tatsache, dass ich mir Sorgen machen musste, machte mich wirklich wütend, wenn auch nur deshalb, weil es besser war, als besorgt zu sein.
Doch der Tag war lang gewesen, und als jetzt die Minuten verstrichen und das schwache Knallen der Schüsse an der Anlegestelle allmählich verstummte, stahl sich die Schläfrigkeit über mich, nahm meinen Ängsten die Spitze und verstreute meine Gedanken wie verschütteten Sand. Der sanfte Atem der Frauen ringsum lullte mich ein wie das Geräusch des Windes in den Bäumen, und mein Bezug zur Realität erschlaffte und löste sich schließlich ganz.
Möglich, dass ich Träume voller Gewalt und Rage oder Alpträume erwartet hatte, aber mein Unterbewusstsein hatte eindeutig genug von solchen Dingen. In der abwegigen Art unterbewusster Gedanken beschloss es stattdessen, einen anderen Faden der Tagesereignisse wieder aufzunehmen. Vielleicht lag es an der Wärme des Zimmers oder auch schlicht an der unmittelbaren Nähe so vieler Körper, aber ich träumte lebhaft und erotisch, und die Wellen der Erregung spülten mich dann und wann dicht an das Ufer des Erwachens, um mich darauf wieder in die Tiefen des Unterbewussten davon zu tragen.
Es waren Pferde in meinen Träumen; glänzende, schwarze Friesen mit fließenden Mähnen, die sich im Wind wellten, als die Hengste neben mir herliefen. Ich sah, wie sich meine eigenen Beine streckten und sprangen; ich war eine weiße Stute, und der Boden flog in verschwommenem Grün unter meinen Hufen dahin, bis ich stehen blieb und mich umdrehte, um auf den einen zu
Weitere Kostenlose Bücher