Das Flammende Kreuz
Temperatur nach. »Hast du eine Mittelohrentzündung, Schätzchen?« Sie blies dem Baby sanft erst in das eine Ohr, dann in das andere; es blinzelte, hustete heiser und wischte sich mit seiner rundlichen Hand durch das Gesicht, ohne jedoch zusammenzuzucken. Die Sklaven waren emsig in einer Ecke der Küche beschäftigt. Sie holten kochendes Wasser herbei und befestigten die Decken an einem Balken, um nach Claires Anweisung ein Zelt herzustellen.
Claire nahm Roger das Baby vom Arm, um es zu baden. Seiner Aufgabe beraubt, stand er da und wünschte sich sehnsüchtig, etwas tun zu können, ganz gleich, was, bis Brianna seine Hand ergriff und sie so fest umklammerte, dass sich ihre Fingernägel in seine Handfläche gruben.
»Er wird wieder gesund«, flüsterte sie. »Bestimmt.« Er erwiderte den Händedruck wortlos.
Dann war das Zelt fertig, und Brianna betrat es geduckt, drehte sich dann um und streckte die Arme nach Jemmy aus, der abwechselnd hustete und weinte, denn das kalte Wasser hatte ihm überhaupt nicht gefallen. Claire hatte einen Sklaven losgeschickt, um ihre Arzttruhe zu holen, und jetzt kramte sie darin herum und brachte eine Phiole mit einem blassgelben Öl und ein Glas mit schmutzigweißen Kristallen zum Vorschein.
Doch bevor sie dazu kam, etwas damit zu tun, kam Joshua, einer der Stallknechte, halb atemlos vor Eile die Treppe heruntergetrampelt.
»Mrs. Claire, Mrs. Claire!«
Einige der Herren hatten zur Feier des freudigen Anlasses ihre Pistolen abgefeuert, und einem von ihnen schien ein Missgeschick widerfahren zu sein, obwohl Joshua sich nicht ganz sicher zu sein schien, was genau geschehen war.
»Er is’ nich’ schwer verletzt«, versicherte der Stallknecht Claire in seinem Aberdeener-Dialekt, der aus seinem schwarzen Mund so merkwürdig klang, »aber er blutet doch sehr heftig, und Doktor Fentiman - na ja, er is’ nich’ mehr ganz so standfest wie heut’ Mittag. Könnt Ihr kommen, Ma’am?«
»Ja, natürlich.« In Blitzesschnelle hatte sie Roger die Phiole und das Glas in die Hand gedrückt. »Ich muss gehen. Hier. Gib etwas davon in das heiße Wasser; er soll den Dampf einatmen, bis er aufhört zu husten.« Rasch und zielsicher hatte sie ihre Truhe verschlossen und sie Josh zum Tragen gereicht, bevor Roger ihr auch nur eine einzige Frage stellen konnte. Dann war sie fort.
Dampfschwaden entwichen durch die Zeltöffnung; bei diesem Anblick hielt er inne, um sich seines Rockes und seiner Weste zu entledigen, die er achtlos auf dem Boden liegen ließ, und dann bückte er sich und tauchte in die Dunkelheit ein, Phiole und Glas in der Hand.
Brianna kauerte auf einem Hocker, Jemmy auf dem Schoß, eine große, weiße Puddingschüssel mit dampfendem Wasser zu ihren Füßen. Das Kaminfeuer beleuchtete kurz ihr Gesicht, und Roger lächelte ihr zu und versuchte, eine beruhigende Miene an den Tag zu legen, bevor die Decke wieder an ihren Platz fiel.
»Wo ist Mama? Ist sie fort?«
»Aye, es gab irgendeinen Notfall. Aber es wird schon gut gehen«, sagte er überzeugt. »Sie hat mir die Mittel gegeben, die wir in das Wasser schütten sollen, und gesagt, wir sollen ihn den Dampf atmen lassen, bis der Husten aufhört.«
Er setzte sich neben der Schüssel auf den Boden. Es war ziemlich düster in dem Zelt, aber nicht vollständig dunkel. Als sich seine Augen daran gewöhnten, konnte er ganz gut sehen. Briannas Miene war nach wie vor besorgt, aber nicht mehr annähernd so angstvoll, wie sie es oben noch gewesen war.
Auch er fühlte sich besser; immerhin wusste er jetzt, was zu tun war, und Claire schien ihren Enkel unbesorgt zurückgelassen zu haben; offensichtlich ging sie nicht davon aus, dass er hier und jetzt ersticken würde.
Die Phiole enthielt Fichtennadelöl, das scharf und harzig roch. Er wusste nicht genau, wie viel er nehmen sollte, doch er goss einen großzügigen Schuss in das Wasser. Dann zog er den Korken aus dem Glas, und durchdringender Kamphergeruch stieg auf wie ein Flaschengeist. Er sah, dass es doch keine Kristalle waren, sondern Klümpchen eines getrockneten Harzes, körnig und schwach klebrig. Er schüttete einige Körnchen auf seine Handfläche und rieb sie fest zwischen seinen Händen, bevor er sie in das Wasser fallen ließ. Dabei wunderte er sich, wieso ihm diese Geste instinktiv so vertraut erschien.
»Oh, das ist es«, sagte er, als es ihm klar wurde.
»Was denn?«
»Das hier.« Er wies mit der Hand auf ihre kuschelige Zuflucht, die sich rasch mit dem duftenden Dampf
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