Das Flammende Kreuz
Geschirrklappern aus dem Speisezimmer und fing einen schwachen Würstchenduft auf. In seinem Zustand konnte ich ihn weder durch die öffentlichen Räume noch hinauf in die Schlafräume führen; mit Sicherheit teilte er sich ein Zimmer mit mehreren anderen Männern, von denen vermutlich einige noch im Bett waren. Mangels einer besseren Idee ging ich mit ihm ins Freie hinaus, nachdem ich einen von den Umhängen der Dienstmädchen von den Haken an der Tür genommen und um seine Schultern gelegt hatte.
Also war Betty Phaedres Mutter - oder sie war es gewesen. Ich hatte Betty kaum gekannt, doch ich kannte Phaedre, und der Schmerz um sie schnürte mir die Kehle zu. Es gab momentan nichts, was ich für sie tun konnte, doch vielleicht konnte ich ja dem Doktor helfen.
Schweigend vor Schock folgte er mir gehorsam, als ich ihn über einen Pfad am Rand des Rasens führte, der durch Hector Camerons weißes Marmormausoleum und die Ziereiben, die es flankierten, vor Blicken abgeschirmt war. Ich glaubte nicht, dass so früh am Morgen schon jemand auf der Steinbank am Fluss sein würde, die halb verborgen unter einer Trauerweide stand.
Sie war leer, obwohl zwei mit Rotwein befleckte Weingläser auf der Bank standen, zurückgelassene Überbleibsel von der Feier der letzten Nacht. Ein umgestürztes Tablett lag auf dem Boden, und die Ameisen machten sich bereits in Schwärmen über die verstreuten Essensreste her. Ich fragte mich, ob hier wohl jemand ein romantisches Rendezvous abgehalten hatte, was mich plötzlich wieder an mein eigenes, mitternächtliches Abenteuer erinnerte. Verdammt, ich wusste immer noch nicht mit Gewissheit, wer der Besitzer dieser Hände gewesen war!
Nachdem ich diese nagende Frage gemeinsam mit den Weingläsern beiseite geschoben hatte, setzte ich mich hin und bedeutete Dr. Fentiman mit einer Geste, es mir gleich zu tun. Es war kühl, doch um diese Uhrzeit stand die Bank voll in der Sonne, und die Hitze legte sich warm und tröstend auf meine Schultern. An der frischen Luft sah der Doktor besser aus; ein Hauch von Farbe war in seine Wangen zurückgekehrt, und seine Nase hatte ihren normalen, rosigen Ton wieder angenommen.
»Geht es Euch jetzt etwas besser?«
Er nickte und zog sich den Umhang fester um die schmalen Schultern.
»Ja, danke, Mrs. Fräser.«
»Das war ein ziemlicher Schock, nicht wahr?«, fragte ich in meinem mitfühlendsten Visitenton.
Er schloss die Augen und schüttelte kurz den Kopf.
»Schockiert... ja, völlig schockiert«, murmelte er. »Ich hätte niemals...« Er verstummte, und ich ließ ihn einen Augenblick schweigend dasitzen. Er würde darüber reden müssen, doch es war besser, wenn er das Tempo selbst bestimmte.
»Es war gut, dass Ihr so schnell gekommen seid«, sagte ich nach einer Weile. »Ich sehe, dass man Euch aus dem Bett gerufen hat. Hat sich ihr Zustand denn plötzlich verschlechtert?«
»Ja. Ich hätte schwören mögen, dass sie gestern Abend nach dem Aderlass auf dem Weg der Besserung war.« Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht und kam dann blinzelnd und mit blutunterlaufenen Augen wieder zum Vorschein. »Der Butler hat mich kurz vor Anbruch der Dämmerung geweckt, und als ich zu ihr kam, klagte sie wieder über Stiche im Bauch. Ich habe sie noch einmal zur Ader gelassen und ihr dann ein Klistier verabreicht, doch es hat keine Wirkung gezeigt.«
»Ein Klistier?«, murmelte ich. Klistiere waren Einläufe, ein beliebtes Heilmittel dieser Zeit. Manche waren absolut harmlos, andere geradezu ätzend.
»Nicotianatinktur«, erklärte er. »Meiner Erfahrung nach eine hervorragende Hilfe in den meisten Fällen von Dyspepsie.«
Ich antwortete mit einem unverbindlichen Geräusch. Nicotiana war Tabak; ich vermutete, dass man mit einer kräftigen, rektal verabreichten Lösung jeden Wurm auf der Stelle loswerden konnte, glaubte aber nicht, dass sie bei Verdauungsproblemen helfen würde. Andererseits würde sie aber auch nicht solche Blutungen hervorrufen.
»Eine außergewöhnlich starke Blutung«, sagte ich. Ich stützte die Ellbogen auf meine Knie und legte das Kinn auf meine Hände. »So etwas habe ich, glaube ich, noch nie gesehen.« Das stimmte absolut. Neugierig erwägte ich im Kopf diverse Möglichkeiten, doch keine Diagnose wollte passen.
»Nein.« Auf Doktor Fentimans blassen Wangen tauchten rote Flecken auf. »Ich - wenn ich gedacht hätte...«
Ich beugte mich zu ihm hinüber und legte ihm tröstend eine Hand auf den Arm.
»Ich bin mir sicher, dass
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