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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Beinen und auf der Hose des Doktors. Seine aufgebrachte Miene wurde etwas unsicherer.
    »Ich - ist etwas geschehen, Sir?«
    »Das geht Euch nichts an, das versichere ich Euch.« Fentiman plusterte sich auf wie ein Kampfhahn und stellte sich aufrecht hin. Er hielt mir ausgesprochen großspurig den Arm hin.
    »Kommt, Mrs. Fraser. Den Beleidigungen dieses Grünschnabels braucht Ihr Euch nicht auszusetzen.« Er funkelte Wylie mit roten Augen an. »Erlaubt mir, Euch zu Eurem Gatten zurückzubegleiten.«
    Bei dem Wort »Grünschnabel« vollzog sich in Wylies Gesicht abrupt eine Veränderung, und es lief in einem dunklen, hässlichen Rotton an. So früh am Morgen trug er weder Schminke noch Puder, und die Flecken der Wut hoben sich wie ein Ausschlag von seiner hellen Haut ab. Er schien anzuschwellen wie ein aufgebrachter Frosch.
    Ich verspürte ein plötzliches Bedürfnis, hysterisch loszulachen, unterdrückte es jedoch heroisch. Stattdessen biss ich mir auf die Lippe und ergriff den Arm, den der Doktor mir entgegenhielt. Fentiman reichte mir knapp bis zur Schulter, machte jedoch auf der blanken Ferse kehrt und schob uns würdevoll davon wie ein Brigadier.
    Als ich mich umschaute, sah ich, dass Wylie unter der Weide stand und uns nachstarrte. Ich hob die Hand und winkte ihm kurz zum Abschied. Das Licht glitzerte auf meinem Goldring, und ich sah, wie er noch weiter erstarrte.
    »Ich hoffe, wir kommen rechtzeitig zum Frühstück«, sagte Doktor Fentiman gut gelaunt. »Ich glaube, ich habe meinen Appetit wieder gefunden.«

51
    Ein Verdacht
    Nach dem Frühstück begannen die Gäste abzureisen. Jocasta und Duncan standen zusammen auf der Terrasse, der Inbegriff eines glücklich vereinten Paares, und verabschiedeten sich von jedermann, während sich eine Schlange von Kutschen und Wagen langsam über die Auffahrt wand. Die Leute, die auf dem Wasserweg gekommen waren, warteten am Kai; die Frauen tauschten in letzter Minute Rezepte und Gerüchte aus, während sich die Männer ihre Pfeifen anzündeten und sich kratzten, weil sie endlich ihrer unbequemen Kleider und formellen Perücken entledigt waren. Ihre Bediensteten, die alle heftig mitgenommen aussahen, saßen mit roten Augen auf den Gepäckbündeln.
    »Du siehst müde aus, Mama.« Brianna sah selbst ziemlich müde aus; sie
und Roger waren die ganze Nacht auf gewesen. Schwacher Kamphergeruch stieg aus ihren Kleidern auf.
    »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wieso«, erwiderte ich und unterdrückte ein Gähnen. »Wie geht es Jemmy denn heute Morgen?«
    »Er hat einen leichten Schnupfen«, sagte sie, »aber kein Fieber. Er hat zum Frühstück etwas Porridge gegessen, und er -«
    Ich nickte, hörte ihr mechanisch zu und ging mit ihr, um Jemmy zu untersuchen, der fröhlich vor sich hinlärmte, wenn ihm auch ein wenig die Nase lief. Vor Erschöpfung war ich leicht benommen. Es erinnerte mich stark an das Gefühl, das ich dann und wann gehabt hatte, wenn ich von Amerika nach England flog. Jetlag nannte man es; ein merkwürdiges Gefühl hellwachen Bewusstseins, während man sich gleichzeitig vom eigenen Körper losgelöst fühlte.
    Die Sklavin Gussie passte auf Jemmy auf; sie war genauso bleich und rotäugig wie der Rest der Anwesenden, doch ich ging davon aus, dass ihr dumpfes Leiden emotionale Gründe hatte und nicht von einem Kater herrührte. Bettys Tod hatte alle Sklaven tief erschüttert; sie erledigten die Aufräumarbeiten im Anschluss an das Hochzeitsfest fast völlig schweigend und mit betroffenen Mienen.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte ich sie, als ich mit meiner Untersuchung von Jemmys Hals und Ohren fertig war.
    Sie machte zuerst ein erschrockenes, dann ein verwirrtes Gesicht. Ich fragte mich, ob ihr diese Frage schon je zuvor gestellt worden war.
    »Oh. Oh, Madame. Gut.« Sie strich sich mit beiden Händen die Schürze glatt, sichtlich nervös über meine Nachfrage.
    »Gut. Dann gehe ich jetzt und sehe mir Phaedre an.«
    Ich war mit Doktor Fentiman zum Haus zurückgekehrt und hatte ihn Ulysses anvertraut, damit er etwas zu essen bekam und sich säubern konnte. Dann hatte ich mich geradewegs auf die Suche nach Phaedre begeben, nachdem ich mich nur kurz gewaschen und umgezogen hatte - denn ich wollte nicht mit dem Blut ihrer Mutter verschmiert vor sie treten.
    Ich hatte sie in Ulysses’ Vorratskammer gefunden, wo sie betäubt und schockiert auf dem Hocker saß, auf dem er sonst das Silber putzte. Neben ihr stand ein großes Glas Brandy, das sie nicht angerührt hatte.

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