Das Flammende Kreuz
bevor ich antwortete; ich hörte sie, denn Jamies Herz schlug langsam unter meinem Ohr. Dann schloss ich die Finger meiner linken Hand, so dass ich das glatte Metall des Goldrings an meinem Finger spürte.
»Nein«, sagte ich. »Aber ich vergesse sie nicht.«
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Ultimaten
Great Alamance, Feldlager, 16ter Mai 1771 An die unter Waffen Versammelten, die sich Regulatoren nennen
In Beantwortung Eurer Petition muss ich Euch mitteilen, dass ich stets das wahre Interesse dieses Landes und jedes darin lebenden Individuums im Blick habe. Ich bedaure den fatalen Zwang, dem Ihr mich unterworfen habt indem Ihr Euch der Gnade der Krone sowie den Gesetzen Eures Landes entzogt, nämlich Euch, die als Regulatoren Versammelten, aufzufordern, Eure Waffen niederzulegen, die gesetzlosen Rädelsführer auszuliefern und Euch den Gesetzen Eures Landes zu unterwerfen und Euch dann auf die Großzügigkeit und Gnade der Regierung zu verlassen. Durch Annahme dieser Bedingungen innerhalb einer Stunde nach der Auslieferung dieser Depesche werdet Ihr Blutvergießen verhindern, da Ihr Euch zu dieser Zeit im Zustand des Krieges
und der Rebellion gegen Euren König, Euer Land und Eure Gesetze befindet.
Wm. Tryon
Jamie war schon fort, als ich erwachte; seine Decke lag ordentlich zusammengefaltet neben mir, und Gideon stand nicht mehr bei der Eiche, an die Jamie ihn am Abend zuvor angebunden hatte.
»Der Oberst ist zu einer Zusammenkunft des Kriegsrates des Gouverneurs gegangen«, sagte mir Kenny Lindsay unter herzhaftem Gähnen. Er kniff die Augen zu und schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Tee, Ma’am, oder Kaffee?«
»Tee, bitte.« Wahrscheinlich war es der Tenor der gegenwärtigen Ereignisse, der mich auf die Boston Tea Party brachte. Ich konnte mich nicht mehr mit Sicherheit erinnern, wann sich dieser Aufruhr mit all seinen Konsequenzen ereignen würde, doch ich hatte das obskure Gefühl, dass ich jede Gelegenheit zum Teetrinken ergreifen sollte, solange er noch zu haben war, um meine Körperzellen damit anzureichern - wie ein Bär, der sich in Erwartung des Winters den Bauch mit Larven und Beeren vollschlägt.
Der Tag war windstill und klar angebrochen, und zur Stunde war es zwar noch kühl, doch durch den Regen des Vortages lag bereits eine Andeutung von Schwüle in der Luft. Ich nippte an meinem Tee und spürte, wie sich überall kleine Haarsträhnen aus ihrer Befestigung lösten, um sich rings um mein Gesicht zu kringeln und sich durch den Dampf meiner Tasse an meine Wangen zu kleben.
Als mein Durst fürs Erste gestillt war, holte ich mir zwei Eimer und begab mich zum Fluss. Ich hoffte, dass es nicht nötig sein würde, doch es konnte nicht schaden, für den Fall des Falles eine gewisse Menge abgekochtes, steriles Wasser zur Hand zu haben. Und wenn ich es nicht für medizinische Zwecke brauchte, konnte ich immer noch meine Strümpfe darin ausspülen, die meine Zuwendung ziemlich nötig hatten.
Trotz seines Namens war der Great Alamance kein besonders beeindruckender Fluss, denn über weite Strecken war er nicht breiter als fünf bis sieben Meter. Außerdem war er flach und schlammig, so zerfranst wie aufgeriffeltes Wollgarn, und seine diversen, kleinen Nebenarme und Zuflüsse wanderten überall durch die Landschaft. Wahrscheinlich bildete er jedoch eine brauchbare, militärische Demarkationslinie, denn es war einer Truppe zwar problemlos möglich, den Fluss zu überqueren, doch sie hatte keine Chance, dabei unbemerkt zu bleiben.
Libellen schossen über das Wasser, über die Köpfe einiger Milizionäre hinweg, die sich kameradschaftlich unterhielten, während sie ihre Blasen in die schlammigen Gewässer des Flusses entleerten. Ich wartete taktvoll hinter einem Busch, bis sie gegangen waren, und als ich dann mit meinen Eimern
das abfallende Ufer hinunterkletterte, dachte ich mir, was für ein Glück es war, dass die meisten der Männer es höchstens dann in Erwägung zogen, Wasser zu trinken , wenn sie dem Verdursten nahe waren.
Als ich ins Lager zurückkehrte, fand ich es hellwach, und sämtliche Männer befanden sich im Alarmzustand, wenn auch mit roten Augen. Doch herrschte eher allgemeine Wachsamkeit als direkte Kampfbereitschaft, und als Jamie jetzt auf Gideon zurückkehrte, der sich mit erstaunlicher Vorsicht seinen Weg an den Lagerfeuern vorbeibahnte, reagierten die Männer nur mit allgemeinem Interesse.
»Wie steht’s, Mac Dubh?«, fragte Kenny und stand auf, um Jamie zu begrüßen, der jetzt mit Gideon anhielt.
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