Das Flammende Kreuz
auf ihn gerichtet hatten. Der Gouverneur blickte funkelnd in den Gewehrlauf, der ihm ins Gesicht ragte, und schob ihn mit einer Hand zur Seite. Er machte leise Würgegeräusche wie ein wütendes Eichhörnchen. Jamie räusperte sich vielsagend, und die Männer verschmolzen lautlos wieder mit dem Wald.
Im Großen und Ganzen hielt ich es sowohl für einen Fehler, dem Gouverneur eine Hand zum Aufstehen anzubieten, als auch, ihn mein Gesicht sehen zu lassen. Ich wandte mich taktvoll ab und trat ein paar Schritte beiseite, als hätte ich zu meinen Füßen eine faszinierende, neue Pflanze entdeckt.
Mr. Vickers tauchte mit erschrockener Miene wieder aus dem Wald auf, in jeder Hand einen Wassereimer.
»Was ist geschehen?« Er stürzte auf den Gouverneur zu, doch ich legte ihm eine Hand auf den Ärmel, um ihn aufzuhalten. Besser, wenn man Mr. Tryon eine Minute Zeit ließ, zu Atem zu kommen und seine Würde wiederherzustellen.
»Nichts von Bedeutung«, sagte ich und nahm meine Eimer an mich, bevor er sie verschütten konnte. »Äh... wie viele Milizionäre sind hier versammelt, wisst Ihr das?«
»Eintausendachtundsechzig, Ma’am«, sagte er mit durch und durch verwirrter Miene. »General Waddells Truppen natürlich nicht mitgezählt. Aber was -«
»Und Ihr habt Geschütze?«
»Oh, ja, mehrere, Ma’am. Wir haben zwei Abteilungen mit Artillerie. Zwei Sechspfünder, zehn Drehbassen und zwei Acht-Pfund-Mörser.« Vickers nahm eine etwas aufrechtere Haltung an, denn angesichts von so viel Zerstörungspotential kam er sich wohl sehr bedeutsam vor.
»Am anderen Flussufer halten sich zweitausend Männer auf, Sir - aber die meisten von ihnen sind kaum bewaffnet. Viele haben nichts als ein Messer dabei.« Jamies Stimme erklang hinter mir und lenkte Vickers’ Aufmerksamkeit von mir ab. Ich drehte mich um und sah, dass Jamie abgestiegen war und dem Gouverneur gegenüberstand, dessen Hut er in der Hand hielt. Er klopfte ihn beiläufig an seinem Oberschenkel aus und hielt ihn dann seinem Eigentümer hin, der ihn mit aller unter den Umständen möglichen Würde entgegen nahm.
»Das hat man mir bereits mitgeteilt, Mr. Fraser«, sagte er trocken, »wenn es mich auch freut, dass Eure Informationen mit den meinen übereinstimmen. Mr. Vickers, würdet Ihr so freundlich sein und mir mein Pferd holen?« Der Purpurton in Tryons Gesicht war verblasst, und obwohl er immer noch leicht gereizt klang, schien er doch nicht nachtragend zu sein. Tryon hatte sowohl ein Gespür für Fairness als auch - und das war gegenwärtig wichtiger - einen trockenen Sinn für Humor, und beides schien Jamies Demonstration militärischer Einsatzbereitschaft überlebt zu haben.
Jamie nickte.
»Dann haben Euch Eure Agenten vermutlich auch mitgeteilt, dass die Regulatoren keinen richtigen Anführer haben?«
»Im Gegenteil, Mr. Fraser. Ich befinde mich in dem Eindruck, dass Hermon Husband schon seit längerer Zeit einer der Hauptagitatoren dieser Bewegung ist. James Hunter ist ein weiterer Name, den ich oft auf Beschwerdebriefen
und den endlosen Petitionen gesehen habe, die mich in New Bern erreichen. Und es gibt noch andere - Hamilton, Gillespie...«
Jamie machte eine ungeduldige Geste, um eine Mückenwolke zu vertreiben, die sein Gesicht umschwebte.
»Unter anderen Umständen würde ich ja gern mit Euch darüber diskutieren, Sir, ob die Feder mächtiger ist als das Schwert - aber nicht am Rand eines Schlachtfeldes, und dort befinden wir uns. Eine kühne Feder beim Verfassen von Pamphleten befähigt einen Mann noch lange nicht zur Truppenführung - und Husband ist Quäker.«
»Das habe ich auch schon gehört«, räumte Tryon ein. Er wies auf den Fluss und zog herausfordernd eine Augenbraue hoch. »Und doch ist er hier.«
»Er ist hier«, pflichtete ihm Jamie bei. Er schwieg kurz und versuchte, die Stimmung des Gouverneurs einzuschätzen, bevor er fortfuhr. Der Gouverneur war aufs Äußerste angespannt; es war nicht zu übersehen, wie gerade er sich hielt und wie seine Augen leuchteten. Dennoch stand die Schlacht noch nicht unmittelbar bevor, und er hatte seine Anspannung gut unter Kontrolle. Er war noch fähig, zuzuhören.
»Der Mann hat an meinem Herd gegessen«, sagte Jamie vorsichtig. »Und ich an seinem. Er macht kein Geheimnis aus seinen Ansichten und seinem Charakter. Wenn er heute hier ist, so bin ich mir sicher, dass ihm dies großes Kopfzerbrechen bereitet.« Jamie holte tief Luft. Er befand sich hier auf schwierigem Terrain.
»Ich habe einen
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