Das Flammende Kreuz
Lichtschleier, der über ihm durch das Frühlingslaub fiel, beinahe perfekt getarnt wurde.
Der erste Mann schwang verstohlen sein Gewehr von der Schulter und griff nach Ladestock und Patronenhülse, doch einer der anderen gebot ihm Einhalt, indem er ihm die Hand auf den Arm legte.
»Lass das lieber, Abram«, sagte der zweite Mann leise, aber deutlich. »So dicht am Fluss solltest du das Schießen lieber lassen. Du hast doch gehört, was der Oberst gesagt hat - die Regulatoren sind da drüben bis zum Ufer vorgerückt.« Er wies auf das Dickicht aus Erlen und Weiden, das den Rand des unsichtbaren Flusses markierte, der keine hundert Meter weit entfernt war. »Du solltest sie im Augenblick lieber nicht provozieren.«
Abram nickte widerstrebend und hängte sich das Gewehr wieder über die Schulter.
»Aye, das ist wohl besser. Meint ihr, heute ist es so weit?«
Roger spähte erneut zu den Schösslingen, doch das Reh war verschwunden, lautlos wie Rauch.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht so ist.« Der dritte Mann zog sich ein gelbes Tuch aus dem Ärmel und wischte sich das Gesicht ab; das Wetter war warm und die Luft schwül. »Tryons Kanonen stehen seit Anbruch der Dämmerung bereit; er würde nie zulassen, dass man ihn unvorbereitet trifft. Möglich, dass er noch auf Waddells Männer wartet - aber vielleicht glaubt er ja auch, dass er sie nicht braucht.«
Abram prustete verächtlich.
»Um diesen zusammengewürfelten Haufen zu zerschlagen? Du hast sie doch gesehen, oder? Eine so erbärmliche Truppe habe ich ja noch nie erlebt.«
Der Mann mit dem Tuch lächelte zynisch.
»Nun ja, das mag wohl sein, Abie. Aber du hast doch auch einige der Milizen aus dem Hinterland gesehen, oder? Wo wir von zusammengewürfelten Haufen sprechen. Und was die Regulatoren angeht, sie sind ziemlich viele, zusammengewürfelt oder nicht. Hauptmann Neale sagt, zwei zu eins in der Überzahl.«
Abram grunzte und warf einen widerstrebenden Blick auf den Wald und den Fluss dahinter.
»Erbärmlich«, wiederholte er, diesmal zuversichtlicher, und wandte sich ab. »Dann kommt, lasst uns weiter oben nachsehen.«
Die drei Männer standen auf seiner Seite; sie trugen zwar keine Kokarden, doch er sah ihre Milizmarken an Rock und Hut silbern in der Morgensonne glänzen. Dennoch verharrte Roger im Schatten der Pappel, bis die plaudernden Männer verschwunden waren. Er war sich einigermaßen sicher, dass
Jamie ihn in Eigenregie auf diese Mission entsandt hatte; besser, wenn man ihn nicht aufforderte, sich zu erklären.
Die meisten Milizionäre nahmen gegenüber den Regulatoren eine Haltung ein, die bestenfalls verächtlich war. Schlimmstenfalls war sie - unter den oberen Rängen der Befehlshaber - kalt und rachsüchtig.
»Wir müssen sie zertreten, ein- für allemal«, hatte Caswell am Abend zuvor am Feuer gesagt. Als Plantagenbesitzer aus dem östlichen Teil der Kolonie hatte Richard Caswell keinerlei Verständnis für die Sorgen der Regulatoren.
Roger betastete erneut seine Tasche und überlegte. Nein, besser, wenn er es ließ. Er konnte die Marke vorzeigen, wenn man ihn zur Rede stellte, und er ging nicht davon aus, dass man ihn in den Rücken schießen würde, ohne ihn zumindest vorher warnend anzurufen. Dennoch kam er sich merkwürdig nackt vor, als er jetzt durch das saftige Gras der Uferwiese schritt, und er seufzte unwillkürlich erleichtert auf, als ihn die hängenden Äste der Weiden am Fluss mit ihrem kühlen Schatten umfingen.
Er hatte mit Jamies Zustimmung seine Muskete zurückgelassen und war unbewaffnet aufgebrochen, abgesehen von dem Messer an seinem Gürtel, das für jeden Mann ein normaler Gebrauchsgegenstand war. Sein einziger, weiterer Ausrüstungsgegenstand war ein großes, weißes Halstuch, das er zusammengefaltet in seinem Rock aufbewahrte.
»Wenn man dich bedroht - ganz gleich, wo -, schwenke es und rufe ›Parlamentär‹«, hatte Jamie ihn angewiesen. »Dann sag ihnen, sie sollen mich holen, und kein weiteres Wort, bis ich komme. Wenn dich niemand aufhält, bring mir Husband unter dem Schutz des weißen Tuchs.«
Bei der Vorstellung, dass er Hermon Husband über den Fluss führen und dabei das Tuch an einem Stock über seinem Kopf schwenken würde wie ein Reisebegleiter, der Touristen durch einen Flughafen führt, hätte er am liebsten laut losgelacht. Doch Jamie hatte weder gelacht, noch auch nur eine Miene verzogen, und so hatte er das Tuch ernst entgegengenommen und es sorgfältig verstaut. Er blinzelte
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