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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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schießen soll?«, hatte er sich voller Ironie erkundigt, als Jamie ihm zwei Tage zuvor beim Abendessen seine Marke gereicht hatte. »Wenn man so dicht herankommt, dass man die Marke sieht, bevor man schießt, erwischt einen der andere Kerl dann nicht zuerst?«
    Jamie hatte seinen Blick mit derselben Ironie erwidert, sich aber höflich jede Anmerkung über Rogers Treffsicherheit und die Wahrscheinlichkeit - oder auch nicht-, dass er mit seiner Muskete irgendwelchen Schaden anrichtete, verkniffen.
    »Ich für meinen Teil würde nicht warten«, hatte er trocken gesagt. »Wenn jemand mit einem Schießeisen auf dich zuläuft, gib Feuer und hoffe das Beste.«
    Ein paar Männer, die in der Nähe um ein Feuer saßen, kicherten bei diesen Worten, doch Jamie ignorierte sie. Er ergriff einen Stock, zog drei gebackene Süßkartoffeln aus den Kohlen und legte sie schwarz und dampfend in der kühlen Abendluft nebeneinander. Er versetzte der ersten einen sanften Tritt, so dass sie in die Asche zurückrollte.
    »Das sind wir«, erklärte er. Er trat gegen die nächste Kartoffel. »Das ist Oberst Leechs Kompanie, und das -« Er stupste die dritte an, die auf Umwegen hinter ihren Kameraden herrollte. »Das ist Oberst Ashes. Verstehst du?« Er sah Roger mit hochgezogener Augenbraue an.

    »Jede Kompanie rückt auf ihrem eigenen Kurs vor, so dass du wohl kaum andere Miliztruppen sehen wirst, zumindest anfangs. Wenn jemand auf uns zukommt, ist es höchstwahrscheinlich der Feind.« Dann kräuselte sich sein breiter Mund ein wenig, und er wies auf die Männer ringsum, die mit ihrem Abendessen beschäftigt waren.
    »Du kennst doch jeden Mann hier genau? Nun, sieh zu, dass du auf keinen von ihnen feuerst, dann kommst du schon zurecht, aye?«
    Roger lächelte reumütig vor sich hin, als er sich jetzt vorsichtig seinen Weg über eine Böschung bahnte, die mit winzigen, gelb blühenden Pflanzen bedeckt war. Es war ein vernünftiger Ratschlag; die Möglichkeit, dass er angeschossen werden könnte, bereitete ihm viel weniger Sorgen als die Angst, zufällig seinerseits jemanden zu verletzen - einschließlich seiner nicht unbeträchtlichen Befürchtung, er könnte sich selbst ein paar Finger wegpusten.
    Insgeheim war er fest entschlossen, auf niemanden zu feuern, ganz gleich unter welchen Umständen oder wie wahrscheinlich es war, dass er sein Ziel traf. Er hatte genug über die Schicksale einzelner Regulatoren gehört - Abel MacLennan, Hermon Husband -, und selbst wenn man die stilistischen Übertreibungen Husbands in Betracht zog, sprach aus seinen Pamphleten eine brennende Ungerechtigkeit, die man nicht überhören konnte. Wie konnte Roger es da in Betracht ziehen, einen Mann zu töten oder zu verstümmeln, nur weil er gegen eine Korruption protestiert hatte, die so unverfroren war, dass sie jeden gerecht denkenden Menschen beleidigen musste.
    Als gelernter Historiker hatte er genug über Situationen wie diese gehört, um zu verstehen, wie weit verbreitet die Probleme waren, worin ihr Ursprung lag - und er wusste auch, wie schwierig sie zu beheben waren. Er hatte Verständnis für Tryons Haltung - bis zu einem gewissen Punkt -, doch seine Sympathien gingen nicht so weit, dass er sich zum willigen Soldaten machen ließ, der für die Erhaltung der Autorität der Krone kämpfte - und erst recht nicht für William Tryons Ruf und sein persönliches Vermögen.
    Er blieb einen Moment stehen, weil er Stimmen hörte, und trat leise hinter den Stamm einer großen Pappel.
    Sekunden später kamen drei Männer in Sicht, die sich beiläufig unterhielten. Alle drei hatten Gewehre und Patronendosen bei sich, doch sie machten eher den Eindruck, als seien sie drei Freunde auf Kaninchenjagd als grimmige Soldaten vor einer Schlacht.
    So verhielt es sich allem Anschein nach auch - sie waren auf Nahrungssuche. Einer von ihnen hatte ein Bündel pelziger Körper an seinem Gürtel hängen, und ein anderer trug einen Musselinbeutel, der mit etwas befleckt war, das sowohl frisches Blut als auch Beerensaft sein konnte. Während Roger sie im Schutz der Pappel beobachtete, blieb einer der Männer stehen und streckte die Hand aus, um seine Kameraden aufzuhalten, die beide erstarrten
wie Jagdhunde und ihre Nasen auf eine Baumgruppe in etwa sechzig Metern Entfernung richteten.
    Obwohl er wusste, dass dort irgendetwas war, brauchte Roger ein paar Sekunden, bevor er das kleine Reh erspähte, das still vor einem Dickicht aus Schösslingen stand und durch den gescheckten

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