Das Flammende Kreuz
ist vor einer Schlacht ganz normal«, sagte ich leise, während ich versuchte, nicht über ihre Miene zu lachen. »Dann erwischt es die armen Kerle kalt.«
Sie räusperte sich, ohne etwas zu sagen, doch ich sah, wie ihr Blick über die Lichtung wanderte und sich hier und dort auf einen Mann heftete. Ich wusste, was sie dachte. Wie war es möglich? Wie konnte man etwas so Perfektes, Kompaktes wie einen Menschen ansehen, den Kopf gesenkt, um einem Freund zuzuhören, den Arm nach einer Wasserflasche ausgestreckt, das Gesicht erst lächelnd, dann stirnrunzelnd, die Augen hellwach und die Muskeln fest - und sich vorstellen, wie es blutend zerriss, seine Knochen brachen... der Tod es ereilte?
Es war unmöglich. Es war ein Akt der Vorstellungskraft, der die Fähigkeiten jedes Menschen übertraf, der diese obszöne Transformation noch nie selbst mit angesehen hatte.
Es war allerdings sehr wohl möglich, sich daran zu erinnern. Ich hustete und beugte mich vor, um uns beide auf andere Gedanken zu bringen.
»Was hast du denn zu deinem Vater gesagt?«, fragte ich. »Als du angekommen bist und ihr Gälisch gesprochen habt?«
»Oh, das.« Ihre Blässe wich vorübergehend einer leichten, belustigten Röte. »Er hat mich angefaucht und wollte wissen, was ich mir dabei dächte - und ob ich mein Kind zur Waise machen wollte, hat er gesagt, indem ich mein Leben zusätzlich zu Rogers aufs Spiel setze?« Sie wischte sich eine rote Haarsträhne vom Mund und lächelte mich kurz und ein wenig gereizt an. »Also habe ich zu ihm gesagt, wenn es so gefährlich ist, was er sich dann dabei denkt, dich hier zu haben und damit zu riskieren, mich zur Waise zu machen, hm?«
Ich lachte, wenn auch sehr leise.
»Es ist doch nicht gefährlich für dich, oder?«, fragte sie und ließ erneut den Blick über das Armeelager schweifen. »Hier im Hintergrund, meine ich?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Sollten die Kampfhandlungen auch nur ansatzhaft in unsere Nähe kommen, ziehen wir sofort um. Aber ich glaube nicht -«
Ich wurde durch die Geräusche eines Pferdes unterbrochen, das sich schnell näherte, und bis der Bote uns erreicht hatte, war ich gemeinsam mit dem Rest des Lagers auf den Beinen. Es war einer von Tryons milchgesichtigen Adjutanten, der vor unterdrückter Aufregung ganz blass war.
»Haltet Euch bereit«, sagte er und hing halb atemlos im Sattel.
»Und was meint Ihr, was wir seit Sonnenaufgang tun?«, fragte Jamie ungeduldig. »Was in Gottes Namen geht hier vor, Mann?«
Offenbar herzlich wenig, aber das war wichtig genug. Ein Priester war von der Seite der Regulatoren herüber gekommen, um mit dem Gouverneur zu sprechen.
»Ein Priester?«, unterbrach Jamie. »Meint Ihr einen Quäker?«
»Nein, Sir«, sagte der Adjutant, verärgert über die Unterbrechung. »Quäker haben keinen Klerus, das weiß doch jeder. Nein, es war ein Priester namens Caldwell, Reverend David Caldwell.«
Tryon hatte sich durch religiöse Verbundenheit nicht beeindrucken lassen und den Appell des Botschafters ungerührt zur Kenntnis genommen. Er könne und wolle nicht mit einem Pöbel verhandeln, und das sei sein letztes Wort. Falls sich die Regulatoren zerstreuten, so verspräche er, alle berechtigten Beschwerden, die ihm auf dem vorschriftsmäßigen Wege vorgelegt würden, wohlwollend zu betrachten. Doch sie müssten sich zerstreuen, und zwar innerhalb einer Stunde.
Zum hundertsten Mal an diesem Morgen spähte ich zu den Weiden hinüber, zwischen denen Roger verschwunden war.
»Eine Stunde«, wiederholte Jamie als Antwort auf die Botschaft des Adjutanten. Er blickte in dieselbe Richtung, zum Fluss hinüber. »Und wie viel Zeit ist davon noch übrig?«
»Vielleicht eine halbe Stunde.« Der Adjutant sah plötzlich viel jünger aus, als er eigentlich war. Er schluckte und setzte seinen Hut auf. »Ich muss gehen, Sir. Achtet auf die Kanonenschüsse, Sir, und viel Glück!«
»Euch auch, Sir.« Jamie berührte zum Abschied den Arm des Adjutanten, dann schlug er seinen Hut auf die Kruppe des Pferdes, so dass es sich in Bewegung setzte.
Als sei das ein Signal gewesen, brach das Lager in hektische Aktivität aus, noch bevor der Adjutant des Gouverneurs zwischen den Bäumen verschwunden war. Waffen, die schon befüllt und geladen waren, wurden wieder und wieder überprüft, Schnallen geöffnet und neu befestigt, Milizabzeichen poliert, Hüte entstaubt, Kokarden befestigt, Strümpfe hochgezogen und befestigt, gefüllte Wasserflaschen geschüttelt, um
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