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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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danach gefragt hatte. Möglich, dass sie gemeint hatte, dass sie umgezogen waren, doch... in ihrer Wäsche befanden sich Babykleider; ihr Sohn war mit ihr hier. Ihr Mann hielt sich irgendwo in dieser brodelnden Menschenmasse auf.
    Ein allein stehender Mann mochte im Suff oder aus Langeweile zu seinem Gewehr greifen und sich einem Pöbel anschließen; ein verheirateter Mann mit einem Kind würde das niemals tun. Ein solcher Schritt zeugte von ernsthafter Unzufriedenheit oder ernsthaften Schwierigkeiten. Und die Tatsache, dass er Frau und Kind mit in den Krieg genommen hatte, legte nahe, dass er keinen sicheren Ort hatte, an dem er sie lassen konnte.
    Roger hielt es für wahrscheinlich, dass Morag und ihr Mann gegenwärtig gar keinen Wohnsitz hatten, und er konnte ihre Angst gut verstehen. Falls ihr Mann verstümmelt wurde oder umkam, wie sollte sie dann für Jemmy sorgen und für das neue Baby, das unter ihrem Rock heranwuchs? Sie hatte hier niemanden, keine Familie, an die sie sich wenden konnte.
    Nur, dass sie doch jemanden hatte und es nur nicht wusste. Er packte sie fest an der Hand und zog sie an sich, überwältigt von dem Bedürfnis, sie und ihre Kinder irgendwie zu beschützen. Er hatte sie schon einmal gerettet; er konnte es wieder tun.
    »Morag«, sagte er. »Hört mir zu. Falls irgendetwas geschieht - ganz gleich, was -, kommt zu mir. Wenn Ihr irgendetwas braucht, werde ich mich um Euch kümmern.«
    Sie versuchte nicht, sich ihm zu entziehen. Stattdessen sahen ihm ihre braunen, ernsten Augen suchend ins Gesicht, und ihre geschwungene Stirn war leicht gerunzelt. Er hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, sie zu berühren,
ein körperliches Band zwischen ihnen zu knüpfen - diesmal um ihretgenauso wie um seinetwillen. Er beugte sich vor und küsste sie ganz sanft.
    Dann öffnete er die Augen und hob den Kopf - und sah sich über ihre Schulter hinweg dem ungläubigen Gesicht seines Ur-Urgroßvaters gegenüber.
     
    »Hände weg von meiner Frau.« William Buccleigh MacKenzie trat laut raschelnd mit unheilvoller Miene aus dem Gebüsch. Er war ein hoch gewachsener Mann, fast so groß wie Roger, und hatte kräftige Schultern. Auf weitere Details seiner Person schien es angesichts der Tatsache, dass er zudem noch ein Messer hatte, jetzt nicht anzukommen. Es steckte zwar noch in der Scheide an seinem Gürtel, doch seine Hand ruhte bedeutungsvoll auf seinem Heft.
    Roger unterdrückte seinen ersten Impuls, nämlich zu sagen: »Es ist nicht, was Ihr denkt.« Natürlich war es das nicht, aber er hatte auch keine andere, plausible Erklärung.
    »Ich hatte nichts Anrüchiges im Sinn«, sagte er statt dessen und richtete sich vorsichtig auf. Er hatte das Gefühl, dass es unklug sein würde, irgendwelche schnellen Bewegungen zu machen. »Ich bitte um Verzeihung.«
    »Ach nein? Was zum Teufel hattet Ihr denn dann vor?« MacKenzie legte seiner Frau besitzergreifend die Hand auf die Schulter und blickte Roger finster an. Sie zuckte zusammen; die Finger ihres Mannes gruben sich in ihre Haut. Roger hätte die Hand gern beiseite geschlagen, doch das hätte ihn wahrscheinlich nur in noch größere Schwierigkeiten gebracht.
    »Ich bin Eurer Frau - und Euch -«, fügte er hinzu, »vor ein oder zwei Jahren an Bord der Gloriana begegnet. Als ich sie hier erkannte, wollte ich mich nach dem Wohlergehen Eurer Familie erkundigen. Das ist alles.«
    »Er hat es nicht böse gemeint, William.« Morag berührte die Hand ihres Mannes, und er lockerte seinen schmerzhaften Griff. »Was er sagt, stimmt. Erkennst du ihn denn nicht? Er war es, der Jemmy und mich in unserem Versteck im Frachtraum gefunden hat - er hat uns Essen und Wasser gebracht.«
    »Ihr habt mich selbst darum gebeten, für sie zu sorgen«, sagte Roger betont. »Während des Kampfes in der Nacht, als die Matrosen die Kranken ins Meer geworfen haben.«
    »Oh, aye?« MacKenzies Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. »Ihr wart das also? Ich habe im Dunkeln Euer Gesicht nicht gesehen.«
    »Ich das Eure auch nicht.« Jetzt dagegen konnte er es deutlich sehen, und trotz der peinlichen Umstände konnte er es sich nicht verkneifen, es interessiert zu betrachten.
    Dies war also der - nicht anerkannte - Sohn Dougal MacKenzies, des ehemaligen Kriegshäuptlings der MacKenzies von Leoch. Dem Aussehen nach ja. Sein Gesicht war eine gröbere, kantigere, hellere Version des Familiengesichtes, doch bei sorgsamem Hinsehen war es Roger ein Leichtes, die breiten
Wangenknochen und die hohe Stirn

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