Das Flammende Kreuz
- hat nach Culloden um sein Land gekämpft und es immerhin zum Großteil zurückbekommen. Aber nur, weil er die nötigen Papiere hatte, um zu beweisen, was einmal sein gewesen war. Also.«
Er klappte das Kästchen auf, das er mit ins Freie gebracht hatte, und legte den Samtbeutel sanft hinein. »Ich werde mir Papiere beschaffen. Und ob nun der eine oder der andere George regiert - dieses Land wird uns gehören. Und dir«, fügte er leise hinzu und sah Brianna in die Augen. »Und nach dir deinen Kindern.«
Ich legte meine Hand auf die seine, die auf dem Kästchen ruhte. Seine Haut war von der Arbeit und der Tageshitze gewärmt, und er roch nach sauberem Schweiß. Die Haare auf seinem Unterarm glänzten rot und golden in der Sonne, und in diesem Moment verstand ich sehr gut, warum die Menschen die Zeit messen. Sie möchten den Augenblick fixieren, weil sie die vergebliche Hoffnung hegen, damit verhindern zu können, dass er vergeht.
78
Keine Kleinigkeit
Brianna war ins Herrenhaus gekommen, um sich ein Buch auszuleihen. Sie ließ Jemmy bei Mrs. Bug in der Küche und ging durch den Flur zum Studierzimmer ihres Vaters. Er war nicht da, das Zimmer leer, wenn es auch schwach nach ihm roch - ein undefinierbarer, männlicher Geruch, der sich aus Leder, Sägemehl, Schweiß, Whisky, Dung... und Tinte zusammensetzte.
Sie rieb sich mit dem Finger unter der Nase entlang. Ihre Nasenlöcher zuckten, und sie musste lächeln. Roger roch auch nach diesen Dingen - und
doch hatte er darunter seinen eigenen Geruch. Was war es nur?, fragte sie sich. Seine Hände hatten immer schwach nach Firnis und Metall gerochen, als er noch eine Gitarre hatte. Doch das war lange her und weit fort.
Sie schob diesen Gedanken beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Bücher im Regal. Fergus hatte von seinem letzten Ausflug nach Wilmington drei neue Bücher mitgebracht: eine Essaysammlung von Michel de Montaigne - auf Französisch, also nichts für sie -, ein abgenutztes Exemplar von Daniel Defoes Moll Flanders und eine ganz dünne, in Papier gebundene Abhandlung von B. Franklin, The Means and Manner of Obtaining Virtue .
Keine Konkurrenz, dachte sie und zog Moll Flanders hervor. Das Buch hatte schon harte Zeiten hinter sich; der Buchrücken war durchgebrochen, und die Seiten waren lose. Sie hoffte, dass sie vollzählig waren; nichts, was schlimmer war, als eine interessante Stelle in der Geschichte zu erreichen und festzustellen, dass die nächsten zwanzig Seiten fehlten. Sie blätterte es vorsichtig durch, um nachzusehen, doch es schienen alle Seiten da zu sein, wenn auch dann und wann ein Blatt zerknittert oder mit Essen befleckt war. Das Buch roch sehr merkwürdig, als hätte es jemand in Talg getaucht.
Ein plötzliches Scheppern im Sprechzimmer ihrer Mutter riss sie aus ihrer Betrachtung der Bücher. Sie sah sich instinktiv nach Jemmy um - doch natürlich war er nicht hier. Sie schob das Buch hastig wieder an seinen Platz und lief aus dem Studierzimmer - um im Flur auf ihre Mutter zu treffen, die aus der Küche geeilt kam.
Sie schlug ihre Mutter im Wettrennen zur Sprechzimmertür um eine Sekunde.
»Jemmy!«
Die Tür des hohen Schrankes stand offen, und es roch kräftig nach Honig. Eine zerbrochene Keramikflasche lag in einer klebrigen, goldenen Pfütze am Boden, und Jemmy saß in ihrer Mitte. Er war über und über mit Honig beschmiert, seine blauen Augen waren kreisrund, und sein Mund stand schuldbewusst und erschrocken offen.
Das Blut stieg ihr ins Gesicht. Ohne darauf zu achten, dass er überall klebte, packte sie ihn am Arm und stellte ihn hin.
»Jeremiah Alexander MacKenzie«, sagte Brianna in finsterem Ton, »du bist ein böser Junge!« Sie suchte ihn hastig nach Blut oder Verletzungen ab, fand nichts und versetzte ihm einen so festen Klaps auf den Hintern, dass ihre Handfläche brannte.
Bei dem resultierenden Geschrei bekam sie sofort ein schlechtes Gewissen. Dann sah sie den Rest der Verwüstungen und unterdrückte den Impuls, ihn noch einmal zu schlagen.
»Jeremiah!«
Rosmarin, Schafgarbe und Thymian waren büschelweise aus dem Trockenregal gezogen und zerrissen worden. Einer der Gazeböden des Regals war losgerissen; der Stoff hing in Fetzen. Flaschen und Gläser aus den
Schränken lagen umgestürzt da oder rollten herum; aus einigen waren die Korken herausgefallen, so dass sich vielfarbige Pülverchen und Flüssigkeiten über den Boden ergossen. Ein großer Leinenbeutel mit gemahlenem Salz war geplündert, die
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