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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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dass wir kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnten. Es war wie Traumwandlerei.«
    Nach getanem Tagewerk waren Wachen wie Männer taub vor Erschöpfung. Die Gefangenen hatten sich zu sammeln und für den Rückmarsch zum Gefängnis als Kolonne aufzustellen. Kurz vor dem Einnicken, schlurften sie stolpernd über das Moor, vom Schlafbedürfnis wie betrunken.
    »Wir waren noch im Steinbruch, als sie sich in Bewegung gesetzt haben; wir sollten die Steinbrechwerkzeuge und die letzten Blöcke auf den Wagen laden und dann folgen. Ich erinnere mich noch, wie ich einen großen Steinblock auf den Wagen gehievt habe und dann keuchend einen Schritt zurück getreten bin. Hinter mir erklang ein Geräusch, und als ich mich umgedreht habe, habe ich Sergeant Murchison gesehen - es war Billy, obwohl ich das erst später erfahren habe.«
    Der Sergeant war nicht mehr als eine kantige, schwarze Gestalt im Dämmerlicht; sein Gesicht war vor dem Himmel, der die Farbe einer Austernschale hatte, nicht zu sehen.
    »Manchmal frage ich mich, ob ich es vielleicht nicht getan hätte, wenn ich sein Gesicht gesehen hätte.« Jamie strich sich geistesabwesend mit den Fingern seiner linken Hand über das Handgelenk, und ich begriff, dass er das Gewicht der Handeisen spürte.
    Der Sergeant hatte seinen Knüppel gehoben und ihn Jamie fest in die Rippen gestoßen, bevor er damit auf einen Holzhammer wies, der noch auf dem Boden lag. Dann wandte er sich ab.
    »Ich habe keine Sekunde überlegt«, sagte Jamie leise. »Ich war mit zwei Schritten bei ihm und habe ihm mit der Kette zwischen meinen Handschellen die Kehle zugedrückt. Er hatte keine Zeit, ein Geräusch zu machen.«
    Der Wagen stand keine drei Meter von der Kante der Kiesgrube entfernt; es ging dreizehn Meter steil bergab, und dann kam das Wasser, dreißig Meter tief, schwarz und reglos unter dem dumpfen, weißen Himmel.
    »Ich habe ihn an einen der Blöcke gebunden und hinuntergeworfen, dann bin ich zum Wagen zurückgegangen. Die beiden Männer aus meiner Gruppe haben wie Statuen im Dämmerlicht gestanden und zugesehen. Sie haben nichts gesagt, genauso wenig wie ich. Ich bin auf den Bock gestiegen und habe die Zügel ergriffen, sie sind hinten auf den Wagen gestiegen, und ich bin zum Gefängnis gefahren. Es hat nicht lange gedauert, bis wir die Kolonne eingeholt hatten, und alle sind ohne ein Wort zurückgekehrt. Sergeant Murchison ist bis zum nächsten Abend nicht vermisst worden, weil sie dachten, er hätte frei und wäre im Dorf. Ich glaube nicht, dass sie ihn je gefunden haben.«
    Jetzt schien er zu bemerken, was er tat, und er entfernte die Hand von seinem Handgelenk.
    »Und die beiden Männer?«, fragte ich leise. Er nickte.
    »Tom Christie und Duncan Innes.«

    Er seufzte tief, reckte die Arme und rollte seine Schultern, als sei ihm sein Hemd zu eng - obwohl er ein loses Nachthemd trug. Dann hob er eine Hand, drehte sie hin und her und hielt stirnrunzelnd sein Handgelenk ins Licht.
    »Das ist ja seltsam«, sagte er und klang leicht überrascht.
    »Was denn?«
    »Die Abdrücke - sie sind fort.«
    »Abdrücke - von den Eisen?« Er nickte und betrachtete verwundert seine Handgelenke. Seine Haut war hell, zu einem blassgoldenen Farbton verwittert, ansonsten jedoch makellos.
    »Ich habe sie jahrelang gehabt - die Eisen haben gescheuert, aye? Mir war gar nicht aufgefallen, dass sie verschwunden sind.«
    Ich legte ihm meine Hand um das Handgelenk und rieb ihm sanft mit dem Daumen über die pulsierende Schlagader, die dort über den Knochen lief.
    »Du hattest keine Abdrücke, als ich dich in Edinburgh gefunden habe, Jamie. Sie sind seit Ewigkeiten fort.«
    Er blickte auf seine Arme hinunter und schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht glauben.
    »Aye«, sagte er leise. »Nun, das war Tom Christie auch.«

NEUNTER TEIL
    Auge in Auge mit der Gefahr

96
    Aurum
    Es war still im Haus; Mr. Wemyss war zur Mühle gegangen und hatte Lizzie und Mrs. Bug mitgenommen, und es war schon so spät am Tag, dass in Fraser’s Ridge nicht mehr mit Besuch zu rechnen war- die Leute waren jetzt beschäftigt, die Tiere wurden gefüttert und für die Nacht eingestreut, man holte Holz und Wasser und schürte das Feuer für das Abendessen.
    Mein persönliches Tier war bereits gefüttert und weich gebettet; Adso lag als schlummernde Kugel in einem Fleck aus spätem Sonnenlicht auf der Fensterbank. Er hatte die Füße unter sich gezogen und die Augen in gesättigter Ekstase geschlossen. Mein Beitrag zum

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